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| Matthias Hampel (Mylau)

Wer hat Recht?

Bei der Beschäftigung mit dem Tempel fallen immer mehr Widersprüche auf.

Zum Beispiel erzählte mir der Archäologe Dr. Leen Ritmeyer, dass er Teile der Tempelfassade gefunden hätte, die viele Schichten von Kalk aufwiesen. Damit begründet er die Behauptung, dass alle weißen Teile, auch die großen Säulen, jedes Jahr zum Passahfest getüncht worden sind. Sicher ist, dass der große Altar getüncht wurde. Aber gilt dies auch für die ganze Fassade? Der Geschichtsschreiber Josephus Flavius kannte den Tempel als Augenzeuge. Er schreibt, dass die Säulen aus Marmor waren.

Dies lehnt Dr. Ritmeyer ab. Für ihn gab es keinen Marmor am Tempel. Ähnlich ist es auch mit den Leuchtern im Salomonischen Tempel. Experten meinen, dass dort zehn einzelne Leuchter standen, andere aber sagen, nein es waren zehn Menorot, also zehn Leuchter mit je sieben Flammen. Wer hat nun Recht? Ich will doch bei den Führungen nichts Falsches erzählen. In einer meiner letzten Führungen nahm ein Jeschiwa-Schüler teil. Er erzählte, wie er ganz verwirrt zu seinem Rabbi sagte: Sie erzählen doch genau das Gegenteil von dem, was der andere Rabbi aus derselben Schule sagt. Wer hat denn nun Recht? Die Antwort des Rabbis war: „Ich natürlich!“

Wie gehe ich mit Widersprüchen um? Erst überlege ich mir, was sind Tatsachen und was ist eine Auslegung. Was wurde wirklich entdeckt und was ist eine Deutung. Eine Deutung ist, dass alle weißen Teile des Tempels getüncht worden sind. Es könnte auch sein, dass es wirklich Marmorsäulen am Tempel gab und andere Teile getüncht wurden. Marmor wurde nicht gefunden, weil er für andere Gebäude erneut verbaut wurde. So wie man kaum noch Gold vom Tempel findet.

Somit haben Josephus Flavius und Leen Ritmeyer beide teilweise Recht. Manche Tatsachen könnte man mit viel Aufwand selbst prüfen. Andere muss man einfach stehen lassen. Es ist aber ein Glück, dass diese Dinge nicht heilsnotwendig sind. Im Gegenteil, sie machen uns demütig. Wir können nicht alles wissen. Unsere Fehler und unser Stückwerk werden uns bewusst, und das ist notwendig. Wichtig ist, dass wir uns vom Wort Gottes her prüfen lassen.

Am großen Tempelmodell habe ich jetzt etwas verändert. Über dem Schuschantor an der Ostseite (heute ist dort das zugemauerte Goldene Tor) habe ich eine Kammer mit Fenstern dargestellt. In diesem Raum wurde die große und die kleine Urelle aufbewahrt. Ähnlich wie das Urmeter in Paris. Die kleine Elle war 45cm lang und an die große Elle rechnete man eine Handbreit dazu. Dieses Maß mit 52,5cm nannte man auch die Königselle. Sie wurde beim Bau des Tempels verwendet.

Im Raum über dem Schuschantor konnte man auch die Gewichte, die für den Handel bestimmt waren, überprüfen. Es war das Eichamt im Tempel. Ich bin dankbar, dass wir auch so ein Eichamt haben. Es ist die Bibel. Alle heilsnotwendigen Lehren können wir am Gesamtzeugnis der Schrift überprüfen. Gott hat uns einen festen Maßstab gegeben, an dem wir nicht herumfeilen dürfen. Auf diesen Maßstab können wir uns verlassen. Die Ermahnung des Paulus im 1. Thessalonicherbrief 5,21 kann nur mit diesem Maßstab befolgt werden: Prüfet alles und das Gute behaltet!

In Kürze wird uns Matthias Hampel von Erkenntnissen berichten, die er während des Aufbaus der Tempelmodelle hatte – sozusagen „learning by doing“.
Bildungs- und Referentenservice