Das Ritual wiederholt sich jedes Jahr: In der Uno-Vollversammlung wird ein einziger Staat öfter verurteilt als alle anderen Länder der Erde zusammen. Im Jahr 2017 richteten sich laut der Organisation UN-Watch 78 Prozent aller länderspezifischen Resolutionen gegen Israel, 2016 waren es 77 Prozent, 2015 und 2014 sogar 87 Prozent.
Im UN-Menschenrechtsrat ist die Dämonisierung Israels fest institutionalisiert: Tatsächliche oder vermeintliche Menschenrechtsverletzungen Israels werden dort stets unter dem eigenen Tagesordnungspunkt 7 behandelt, Verfehlungen aller anderen Staaten unter dem Tagesordnungspunkt 4. Die Bundesregierung trägt die israelfeindlichen Resolutionen der Vollversammlung in der Regel mit: Im vergangenen Jahr stimmte Deutschland bei 21 Resolutionen gegen Israel 16-mal zu, bei vier Resolutionen enthielt Berlin sich.
Die FDP-Fraktion wollte das deutsche Abstimmungsverhalten mit einem Antrag im Bundestag ändern, doch dieser wurde abgelehnt. Das Auswärtige Amt hatte zuvor erklären lassen, dass man den einseitig israelkritischen Resolutionen nur deshalb zustimme, weil man andernfalls keinen Einfluss auf deren Inhalt nehmen könne.
Heiko Maas und andere deutsche Politiker scheinen tatsächlich überzeugt zu sein, dass die Verhinderung einiger besonders grotesker antisemitischer Anschuldigungen eine echte Hilfe für Israel sei. Dass der jüdische Staat im Ergebnis dann nicht nur von seinen Feinden, sondern auch von seinen erklärten Freunden angeprangert wird, nimmt die Bundesregierung dabei in Kauf: Worauf man sich verständigt, tragen die antisemitischen Regime von Damaskus bis Caracas ja nur deshalb mit, weil das Ergebnis in ihrem Sinne ist.
Am Anfang war ein interessiertes Missverständnis.
Den meisten Deutschen sind Multilateralismus und die vermeintlich stets friedensstiftende Rolle der Uno heilig. Die skeptische Widerständigkeit der USA gegenüber den UN ist ihnen hingegen suspekt. Die USA und Israel begründen ihre Uno-Kritik ganz einfach: Autoritäre Regime und blutrünstige Diktaturen wie China, Iran oder Syrien haben dieselben Rechte wie rechtsstaatliche Demokratien.
GOLAN-HÖHEN: Im Norden muss Israel seine Grenzen gegen das Assad-Regime schützen, aber die Uno fordert einen Rückzug
JERUSALEM: Obwohl alle Religionen freien Zugang zu ihren Stätten haben, ist Jerusalem immer wieder Thema in der Uno.
GAZA: Die Uno verurteilt Israel wegen der Gewalt in Gaza, ignoriert aber meist die Terror-Herrschaft der Hamas.
WESTBANK: Die Lage in den Palästinenser-Gebieten ist fester Bestandteil der Agenda im Uno-Menschenrechtsrat.
Bereits zwei Jahrzehnte vor der Gründung des Staates Israel sprach Adolf Hitler in seinem sogenannten „Zweiten Buch“ den Juden die Fähigkeit zur Staatsgründung ab: „Das jüdische Volk kann mangels eigener produktiver Fähigkeiten einen Staatsbau räumlich empfundener Art nicht durchführen, sondern braucht als Unterlage seiner eigenen Existenz die Arbeit und schöpferische Tätigkeit anderer Nationen.“
Es ist dieselbe antisemitische Propaganda, mit der Israel bis heute von seinen Feinden in den Foren der Uno als „künstliches Gebilde“ diffamiert wird, das sich immer weiter ausdehne. Israel ist, wie der französische Historiker und Résistance-Kämpfer Leon Poliakov schon 1969 feststellte, der „Jude unter den Staaten“. Ähnlich gelten dem Antisemiten die Juden als „Untermenschen“. So wird der jüdische Staat in den Versammlungen der Uno zu oft als vermeintlicher Unrechts-Staat gebrandmarkt.
Die Vereinten Nationen haben vor 70 Jahren die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Aber von dem selbst gesteckten Ziel, die unantastbare Würde des Menschen rund um den Globus zu sichern, sind sie weit entfernt. Und das hängt eben vor allem damit zusammen, welche Staaten in welchem Moment die Mehrheit und das Sagen in den Uno-Gremien haben.
Der Traum von Eleanor Roosevelt und ihrer Mitverfasser der Menschenrechtscharta wurden von den Vereinten Nationen in einen „Albtraum“ verwandelt, wie Hillel Neuer, Direktor der NGO UN Watch, bereits vor mehr als zehn Jahren befand. Die USA unter ihrer früheren UN-Botschafterin Nikki Haley haben sich auch deshalb aus dem UNMenschenrechtsrat verabschiedet. Heiko Maas verkündete hingegen erst im Februar, dass Deutschland sich 2020 für einen Sitz ausgerechnet in diesem Gremium bewerben will.
Wenn es dem Außenminister ernst ist mit seinem Kampf gegen Antisemitismus, dann hätte er 2020 eine vorrangige Aufgabe bei den Vereinten Nationen in New York: den Tagesordnungspunkt 7 endlich aus der Welt zu schaffen.
Quelle: BILD Online veröffentlicht am 24.03.2019 - 14:12 Uhr
| von Björn Stritzel