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Pfarrerblatt öffnet sich für Lügen und Hetze

Der Nahost-Korrespondent Johannes Gerloff übt scharfe Kritik am Inhalt und an der Veröffentlichung eines in extremer Weise gegen Israel gerichteten Artikel im Deutschen Pfarrerblatt. Für den „Christlichen Medienverbund KEP e.V.“ schrieb er eine Erwiderung, die auf der Website von Israelnetz veröffentlicht wurde. Ein Kommentar von Johannes Gerloff, Jerusalem.

Mit Lügen kann man nicht diskutieren und wer seine Meinung auf Lügen aufbaut, kann nicht erwarten, als Gesprächspartner ernstgenommen zu werden. Pfarrer Dr. Jochen Vollmer lügt ganz einfach, wenn er behauptet:

1.) Das Selbstverständnis des Staates Israel stehe einem Ausgleich der Interessen zwischen Israelis und Palästinensern im Wege.

2.) Der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern beziehe sich auf ein Land, auf das Israel und die Palästinenser Anspruch erheben.

3.) Dass wenige Juden dort mit ihren arabischen Nachbarn im Frieden gelebt hätten, bis Ende des 19. Jahrhunderts die jüdischen Einwanderungswellen aus Osteuropa kamen.

4.) Zionisten hätten palästinensisches Land in Besitz genommen und geraubt mit dem Ziel, einen jüdischen Staat zu errichten.

5.) Die Vergeltungsschläge Israels gegen palästinensische Gewaltakte seien zumeist unverhältnismäßig, besonders der Gazakrieg Dezember 2008/Januar 2009.

6.) Nur wenige Zionisten hätten ein Unrechtsbewusstsein.

7.) Die Opfermentalität missachte das Gebot der Tora "Die Fremdlinge sollst du nicht bedrängen und bedrücken…"

8.) Der israelische Narrativ behaupte, die Gründung Israels sei ohne grosse Opfer der Palästinenser erfolgt und die Palästinenser hätten freiwillig das Land verlassen.

9.) Der religiöse Anspruch Ben Gurions mache eine Verständigung mit den Arabern unmöglich.

10.) Dass israelischer Landraub mit der biblischen Landverheißung und der Inanspruchnahme des Gottes Israels gegen den Gott der Araber legitimiert werde.

11.) Dass es zwei Hindernisse gäbe, die dem Frieden zwischen Israel und den Palästinensern im Wege stehen: die Verdrängung der historischen Wahrheit und der religiöse Anspruch Israels auf das Land.

12.) Dass israelische Araber und Palästinenser in Israel als hohes Sicherheitsrisiko gälten und damit Verletzungen der Menschenrechte gerechtfertigt würden.

13.) Die Unabhängigkeitserklärung vom 14.5.1948 fülle die Leerstelle einer fehlenden Verfassung Israels aus.

14.) Dass ein Staat durch ein klar begrenztes Territorium definiert sei.

15.) Das zionistische Projekt eines jüdischen Staates mit weitgehend jüdischer Bevölkerung unter den bestehenden demographischen Verhältnissen mit der großen Mehrheit der arabischen Bevölkerung sei nur zu erreichen gewesen auf dem Weg der Vertreibung arabischer Bevölkerungsteile.

16.) Für die religiösen Parteien Israels sei die Verwirklichung der biblischen Überlieferungen mit der Schaffung von Groß-Israel unabdingbar Gottes Gebot.

17.) Die Siedlungspolitik ziele auf die endgültige Vertreibung der Palästinenser.

18.) Die UN-Resolution 242 vom 22.11.1967 erkläre das Existenzrecht Israels innerhalb sicherer Grenzen und den Rückzug israelischer Streitkräfte aus den besetzten Gebieten zur Vorbedingung eines dauerhaften Friedens.

19.) Die Siedlungspolitik mache einen Frieden mit den Palästinensern faktisch unmöglich.

20.) Die Landnahme sei das oberste Ziel israelischer Politik.

21.) Die nationalreligiösen Siedler wollten keinen Frieden.

22.) Israel als Staat würde ohne die Unterstützung der USA nicht überleben.

23.) Menschenrechtsverletzungen an den Palästinensern würden im Gehorsam gegen Gott auf dem Weg zu Groß-Israel bewusst verübt.

24.) Die Sperrmauer, die Israel seit 2003 errichtet, solle das alltägliche Leben der Palästinenser bis zur Unerträglichkeit erschweren und

25.) einen lebensfähigen Palästinenserstaat unmöglich machen.

26.) Der Anspruch des Staates Israel gleichzeitig jüdisch und demokratisch zu sein gehe zwangsläufig mit der Vertreibung und Unterdrückung der nicht-jüdischen einheimischen Bevölkerung einher.

27.) Der Staat Israel sei in seiner Siedlungspolitik in der Geiselhaft der religiösen Rechten.

28.) Der Staat Israel habe Hunderttausende unschuldige Menschen zu Opfern gemacht und tue noch immer.

29.) Der Staat Israel grenze durch seine jüdische Identität die nichtjüdische Bevölkerung aus und

30.) verleugne den einen und universalen Gott, der für Juden und Nichtjuden in gleicher Weise da sein will.

31.) Der Staat Israel wolle einen Glauben an Gott durch staatliche Gewalt sichern.

32.) Die jüdische nationalreligiöse Rechte und ihre christlichen Freunde seien der Auffassung, um der Heiligkeit des Landes willen könnten Verletzungen der Menschenrechte und des Völkerrechts geboten sein.

33.) Sie verleugneten die Universalität Gottes und die Heiligkeit eines jeden Menschen.

34.) Sie verletzten und töteten Palästinenser mit Berufung auf die Bibel.

35.) Das Problem seien die nationalreligiösen Siedler, die das Land, nicht den Frieden wollten.

Alle diese Aussagen sind so und in dem von Vollmer gesetzten Zusammenhang schlicht falsch. Da Jochen Vollmer zudem mit einem Pfarrer- und Doktortitel auftritt und sein Aufsatz offensichtlich auch die redaktionelle Prüfung des Deutschen Pfarrerblatts durchlaufen hat - diese Aussagen also bewusst, mit akademischem Anspruch und quasi-kirchlicher Sanktionierung gemacht wurden - bleibt keine Möglichkeit, sie als "Unwahrheit", "Versehen" oder "Unachtsamkeit" zu entschuldigen. Sie sind Lügen.

Jetzt müsste ich natürlich jede einzelne Aussage durchgehen, um zu beweisen, dass sie nicht der Wahrheit entspricht. Wirklich? Muss sich heute derjenige rechtfertigen, der die Wahrheit sagt? Darf man heute - sogar im Deutschen Pfarrerblatt - ungestraft alles behaupten, was einem in den propagandistischen Kram passt, ohne die gemachten Aussagen belegen zu müssen?

Jedem aufmerksamen und nur ansatzweise zu logischem Denken fähigen Leser wird zudem auffallen - selbst wenn er nicht im Nahostkonflikt zuhause sein sollte -, dass Vollmer sich selbst widerspricht, um hier nur ein Beispiel zu nennen, wenn er etwa unterstellt, das zionistische Projekt sei nur zu erreichen gewesen auf dem Weg der Vertreibung arabischer Bevölkerungsteile - um dann unmittelbar (wohl als Beleg gedacht) anzuschliessen: "1930 erklärte Chaim Weizmann in Berlin, es sei nicht möglich, Palästina in einen jüdischen Staat zu verwandeln, denn 'wir können nicht und wollen nicht die Araber vertreiben'." Wichtig ist hier festzuhalten, wer Chaim Weizmann war - und wenn Vollmer recht haben wollte, müsste er nachweisen, welchen Wandel Weizmann zwischen 1930 und 1950 durchlaufen hat. Relevant wäre bei einer Analyse auch, was Vollmer alles verschweigt.

Spontan fallen mir die bis heute aktuellen Vernichtungsdrohungen gegen das jüdische Volk und seinen Staat oder auch die etwa eine Million jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern ein. Da wäre ferner zu bedenken, was palästinensische muslimische Theologen weltweit erfolgreich verbreiten, und warum Hitlers "Mein Kampf" oder "Die Protokolle der Weisen von Zion" in der arabischen Welt so populär sind.

Interessant ist auch die Tatsache, dass eine islamistische, der schiitischen Hisbollah und dem Iran nahestehende Webseite den Artikel von Vollmer veröffentlicht hat. "Alle Rechte vorbehalten, Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Deutschen Pfarrerblatts" steht als Überschrift in der Druckversion, weshalb davon auszugehen ist, dass das Pfarrerblatt oder der Autor selbst den Betreibern der Webseite, die eine Vernichtung des Staates Israel anstreben, die Genehmigung zur Veröffentlichung des Artikels gegeben haben.

Jetzt bin ich weder auf die politische noch theologische Meinung Vollmers, oder seine Gedankenführung und Argumentation eingegangen. Aber muss ich das wirklich tun? Er spricht dem Staat Israel das Recht auf Selbstverteidigung, ja selbst ein Existenzrecht ab. Muss man darüber wirklich diskutieren?!? Tut man einem Pfarrer, der sich auf ein solches akademisches Niveau herablässt, nicht eigentlich zu viel Ehre an, wenn man den Fehdehandschuh aufgreift?

Oder muss man Vollmers Artikel ernstnehmen, weil er ein Symptom des heute wieder in deutsch-christlichen Kreisen herrschenden Zeitgeistes ist?

Quelle: factum-magazin.ch

 

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