Sehr geehrter Herr Professor Barner, sehr geehrter Herr Dr. Bedford-Strohm, verehrter Herr Dr. Wiesemann,
mit Bestürzung haben wir vernommen, dass Erzbischof a. D. Desmond Tutu (Kapstadt) sich in einem offenen Brief an Sie gewendet hat und Christen in Deutschland dazu auffordert, sich für den Boykott israelischer Waren, ja für Sanktionen gegen Israel einzusetzen. Dieser Aufruf ist bedenklich, denn er verkennt die Situation vor Ort. Die simple Täter-Opfer-Rhetorik kann die örtliche Realität nicht angemessen abbilden und die genannten Maßnahmen treffen unmittelbar auch die Palästinenser.
Zunächst ist es verfehlt, Israel als „Apartheidsstaat“ zu bezeichnen. Der Zaun, der palästinensische Gebiete von israelischen trennt, ist auf terroristische Übergriffe aus den palästinensischen Gebieten zurückzuführen, die Israel Hunderte von Menschenleben kosteten. Seit dem Bau dieses Zaunes sind jene Attacken um ca. 90 % zurückgegangen, so dass viele Menschenleben gerettet werden konnten. Dieser Zaun hat mit Apartheid nichts zu tun, sondern ist ganz anders motiviert: Er dient dem Schutz der jüdischen Bevölkerung. Damit soll nicht gesagt sein, dass Israel an dem Konflikt mit den Palästinensern keinen Anteil hätte. Israel der Apartheid zu bezichtigen, halten wir jedoch für verkehrt.
Wir erkennen in Herrn Tutus Schreiben aufrichtigen Friedenswillen und wir anerkennen die ihn als Südafrikaner prägenden Erfahrungen mit Apartheid und Unterdrückung. Die Verhältnisse in Israel sind jedoch andere und so erscheint es uns der falsche Weg zu sein, mit Klischees und Stereotypen zu arbeiten, die der einseitigen Verurteilung eines Konfliktpartners dienen. Solch ein Vorgehen ist nicht friedensförderlich sondern zementiert den Konflikt. Das kann nicht Sinn der Sache sein. Ferner vermissen wir bei Herrn Tutu ein Gespür für die Besonderheit speziell der deutschisraelischen Beziehungen. Wenn er sich schon von außen an die Christen in Deutschland wendet, dann sollte er die Sonderrolle Deutschlands angemessen berücksichtigen.
Zuletzt ist Herrn Tutus Bezugnahme auf das Kairos-Palästina-Dokument aus dem Jahre 2009 zu kritisieren. Die theologische Einseitigkeit und Unzulänglichkeit dieses Papiers sind offensichtlich und vielfach beim Namen genannt worden. Exemplarisch sei hier nur verwiesen auf die profunden Ausführungen von Professor Wengst (veröffentlicht in „Christsein mit Tora und Evangelium“, § 12). Im Gegensatz zu Herrn Tutu bitten wir Sie, sich für Sachlichkeit, Fairness, beidseitige Gerechtigkeit und Vorurteilsfreiheit einzusetzen. Die einseitige Verurteilung eines Konfliktpartners ist kontraproduktiv. Sie hilft niemandem und führt in der Sache nicht weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Krämer, Theresia Ebert, Benjamin Schnabel