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Netanjahu und Gantz bilden Regierung

Nur wenige Minuten vor Beginn des hochemotionalen und sehr düsteren Holocaustgedenktags haben Premierminister Benjamin Netanjahu und sein Herausforderer, der Ex-General Benny Gantz den Vertrag zur Errichtung einer Notstandsregierung angesichts des Corona-Virus unterzeichnet. Der 11 Seiten lange Vertrag regelt zahlreiche Fragen, aber die Probleme bei dieser Regierungsbildung sind noch längst nicht vom Tisch.

In den ersten 18 Monaten der vorgesehenen dreijährigen Amtszeit wird Netanjahu weiterhin die Regierungsgeschäft ausführen. Dann soll im Rahmen einer „Rotation“ Gantz die Regierungsgeschäfte übernehmen. Bis dahin werde Gantz Verteidigungsminister sein, der wohl wichtigste Posten in der künftigen Mammut-Regierung mit 32 Ministern und einem Dutzend stellvertretenden Ministern. Das wird die größte Regierung in der Geschichte Israels sein.
Die Blauweiß-Partei von Benny Gantz wird neben der Verteidigung auch das Außenamt für die halbe Zeit, und die Ministerien für Justiz, Einwanderung, Eingliederung, Kultur, Sport, Wirtschaft, Wohlfahrt, Kommunikation, Landwirtschaft, strategische Angelegenheit, Tourismus, soziale Gleichheit und Angelegenheiten der jüdischen Diaspora übernehmen.
Dem Likudblock des Netanjahu verbleiben das Außenministerium für die halbe Zeit, Öffentliche Sicherheit, Transport, Wohnungsbau, Erziehung, Umwelt, Energie, Jerusalem und weitere weniger wichtige Posten.

Eine der Hauptsorgen Netanjahus ist die Möglichkeit einer Strafverfolgung, falls er den bevorstehenden Prozess wegen Bestechung und Untreue nicht überstehen sollte. Deshalb behält er sich das Vetorecht zur Ernennung des nächsten Staatsanwaltes und Staatsanklägers vor. Beide spielen eine entscheidende Rolle bei der Anklage gegen Netanjahu. Mit einem Veto könnte Netanjahu vielleicht den Prozessbeginn und eine Verurteilung abwenden. Während der ersten 6-monatigen Periode einer „Notstandsregierung“ soll es keine Ernennungen mit notwendiger Zustimmung der Regierung geben. Diese Periode ist von Bedeutung, da der Beginn des Prozesses gegen Netanjahu für Mai angesetzt ist.

Weiter wurde beschlossen, dass der Koalitionsvertrag ungültig werde, falls das Oberste Gericht vor der Vereidigung noch ein Urteil fällen sollte, das es Netanjahu als möglichem Angeklagten verbieten sollte, eine Koalition zu bilden. In dem Fall würde es automatisch zu Neuwahlen kommen, zum vierten Mal innerhalb eines Jahres. Wegen der bestehenden Gesetze würde Netanjahu dann „Übergangspremierminister“ bleiben, bis nach den Wahlen eine neue Regierung gebildet ist.

Die Regierungsbildung hat ist Israel von mehreren Seiten heftige Kritik ausgelöst. Ohnehin ist der „Blau-Weiß-Block“ von Benny Gantz zerbrochen, als der Parteichef seine Bereitschaft bekundet hatte, mit Netanjahu zu verhandeln. Vor allem die linken Bündnispartner wie von der inzwischen nicht mehr existierenden sozialistischen Arbeitspartei brachen ab. Denn vor den Wahlen hatten sie vor allem gehofft, den von ihnen so gehassten Netanjahu endlich aus dem Amt verjagen zu können.  Dann war die Rede von einer unerträglichen Geschmacklosigkeit, ausgerechnet am Vorabend des Holocaustgedenktages den Koalitionsvertrag zu unterzeichnen.

Ehemalige Gefolgsleute von Gantz, werfen dem vor, sich von Netanjahu über den Tisch ziehen zu lassen und ihm weiterhin viel Macht überlassen zu haben.
Derzeit wagt niemand vorherzusehen, dass Netanjahu tatsächlich das Amt des Ministerpräsidenten übergeben werde, sowie die Zeit um ist. Die andauernde Krise ist also noch längst nicht wirklich bewältigt.

 

(C) Ulrich W. Sahm

Ulrich Sahm berichtet aus Israel