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| Gitta Rabe (Erlau)

March of the Living 2014

Der „Marsch der Lebenden“ ist ein Gedenkmarsch vom ehemaligen Nazi-Konzentrationslager Auschwitz zum Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Die Bezeichnung bezieht sich auf die unzähligen „Todesmärsche“ von KZ-Häftlingen während der NSZeit. Seit 1988 findet dieser Schweigemarsch traditionell am Yom HaShoah (Holocaust- Gedenktag) statt.

Menschen, aus aller Welt kommen, um der unzähligen Opfer dieser Schreckenszeit zu gedenken. Der „Marsch der Lebenden“ wird von Holocaust-Überlebenden sowie deren Nachkommen angeführt. Neben einem Ausdruck der Trauer um die ca. 6 Millionen Menschen jüdischer Abstammung, die durch die nazistischen Vernichtungsmaschinerie getötet wurden, ist er gleichzeitig auch ein Protest gegen die Leugnung des Holocaust. Vorbereitet und durchgeführt wurden die Veranstaltungen von „March of the Living International“, einer Organisation, die neben dem Besuch authentischer Gedenkorte und der Begegnung mit Überlebenden und Zeitzeugen auch die Mitarbeit von Historikern und Gedenkstättenpädagogen in die konzeptionelle Gestaltung einbezieht.

Zum diesjährigen „March oft he Living“ wurde besonders der ungarischen Juden gedacht, die vor 70 Jahren in den „Todeszügen“ von den Deutschen nach Auschwitz deportiert und dort vergast worden waren. Ab 15. Mai 1944 wurden insgesamt 437.000 ungarische Juden zunächst aus den Randprovinzen, ab Juli 1944 auch aus Budapest nach Auschwitz deportiert. 320.000 davon wurden dort direkt vergast. Viele Leichen wurden unter freiem Himmel verbrannt, weil die Krematorien nicht schnell genug arbeiteten. (Wikipedia)

Bereits am Vortag des Holocaustgedenktages setzten sich unzählige Menschen den noch heute unübersehbaren, schrecklichen geschichtlichen Tatsachen in Auschwitz aus. Auch mein Mann Volker und ich ließen sich erneut auf unsere beschämende deutsche Geschichte am größten jüdischen Massengrab ein. Wir wollten mittrauern und unsere Solidarität mit den Überlebenden zum Ausdruck bringen. Gemeinsam mit Geschwistern u.a. vom Shalom Ministry Oświęcim beteten wir vor Ort und nahmen das Opfer Jesu in Anspruch, der mit Seinem Blut für unsere Schuld bezahlt hat und dadurch den Weg zur Versöhnung freigemacht hat.

Besonders dachten wir an unsere liebe Bekannte, Judith K., die die Hölle von Auschwitz sowie unzählige Todeszüge und -märsche überlebte. Wir lernten sie vor einigen Jahren in Tel Aviv kennen und schätzen, als wir als Team der Sächsischen Israelfreunde in Ihrer Wohnung Balkon und Bad renovieren durften. Sie wollte gern vor ihrem Lebensende noch einmal andere Deutsche kennen lernen, als die, die sie in Auschwitz ertragen musste.

Auch in Budapest gedachte man bereits am 27. April des 70. Jahrestages der Massendeportationen ungarischer Juden im Zweiten Weltkrieg. Diese Veranstaltung fand im Rahmen des „Marsches des Lebens“, initiiert von der TOS-Gemeinde Tübingen mit ihrem Pastor Jobst Bittner, statt. Daran hatten sich zahlreiche ungarische und deutsche Nachkommen von Wehrmachtsangehörigen, SS-Leuten, Polizisten und Verwaltungsangestellten, die am Holocaust in Ungarn beteiligt waren, mit 300 deutschen und ungarischen Dauerteilnehmern sowie weiteren 2000 Teilnehmern auf der entgegengesetzten Route des ehemaligen Todesmarsches über 250 km von Sopron nach Budapest auf den Weg gemacht hatten, um die Decke des Schweigens über die Schuld ihrer Vorfahren zu brechen.

Im heutigen Ungarn wird der rechtsgerichteten Regierung von Viktor Orban vorgeworfen, den Antisemitismus im Land zu fördern. Sicherlich auch deshalb sprach der Israelische Botschafter Ilan Mor von einem „wichtigen Tag“. Die ungarische Gesellschaft und die internationale Gemeinschaft müssten sich daran erinnern, was vor 70 Jahren geschehen sei, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Nach der Gedenkveranstaltung in Budapest stieg dann eine Delegation von 600 Teilnehmern in einen Sonderzug nach Auschwitz, unter ihnen auch deutsche Teilnehmer des „Marsches des Lebens“.

Etwa ein Zehntel aller im Zweiten Weltkrieg ermordeten europäischen Juden war aus Ungarn, nämlich 600.000! Jeder einzelne Fahrgast stand für tausend getötete ungarische Juden. Dieser „Zug des Lebens“ kam dann am nächsten Tag gegen 7.00 Uhr auf dem Bahnhof in Oświęcim (Auschwitz) an. Dort begrüßten wir gemeinsam mit anderen Freunden des jüdischen Volkes die ankommenden Gäste herzlich. Diese Ankunft in Auschwitz war für alle Beteiligten sehr bewegend.

Gegen Mittag sammelten sich im ehemaligen Stammlager, Auschwitz I, mehr als 10.000 Juden sowie Menschen aus aller Welt und formierten sich zum „Marsch der Lebenden“. An dessen Spitze marschierten der ungarische Staatspräsident Jànos Àder gemeinsam mit mehreren Hundert jungen Juden aus Ungarn. Wir durchschritten das berühmt-berüchtigte Haupttor des KZ Auschwitz mit dem Schriftzug „Arbeit macht frei“ und liefen dann drei Kilometer vorbei an der „Judenrampe“ bis zum Vernichtungslager Birkenau, Auschwitz II. Sehr beeindruckend waren die unzähligen Israelfahnen am Ort des Grauens.

Viele der Marschteilnehmer trugen sie nicht nur in der Hand sondern hüllten ihren ganzen Körper darin ein – wie eine Schutzhülle. Dieses hatte eine spezielle Wirkung, die jeder Teilnehmer verstand. Trotz größter Anstrengungen der deutschen Nationalsozialisten sowie ihrer Verbündeten ist es ihnen nicht gelungen, das jüdische Volk auszulöschen. Im Gegenteil! Es entstand nach all dem Entsetzlichen ein jüdischer Staat, der für die meisten Juden Zufluchtsort und Heimat wurde!

Während der Gedenkzermenonie am Denkmal für die Holocaustopfer in Birkenau, wo sich einst die Krematorien befanden, sprachen Vertreter der israelischen Regierung, Rabbiner, Künstler und Zeitzeugen. Sie ehrten mit einer gelungenen Veranstaltung die Opfer des jüdischen Volkes, der Sinti und Roma sowie der Nichtjuden aus verschiedenen Nationen. Weiterhin wurde u.a. auch an den schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg erinnert, der zigtausenden ungarischen Juden das Leben rettete.

Der Staatspräsident Ungarns betonte in seiner Ansprache die Notwendigkeit der Mahnung und Erinnerung an die Schoa und forderte zu einer Schweigeminute auf. Lasst uns alle dafür beten, dass der ungarische Regierungsvertreter auch das Gesagte in seinem Land umsetzen und den dort wiedererstarkten Antisemitismus beenden kann. Zum Gedenken an die 6 Millionen Juden, die während der Naziherrschaft ermordet wurden, entzündete man zum Ende der Gedenkveranstaltung 6 ewige Flammen.

Nach einem Schlusswort und dem Kaddisch-Gebet sangen alle die Hatikva. Die israelische Nationalhymne an diesem Ort von Juden und Nichtjuden gemeinsam gesungen, zeigte uns noch einmal mehr, dass der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs den Bund mit seinem Volk nie aufgelöst hat. Tief bewegt und gestärkt begleiteten wir viele jüdische Teilnehmer zu den bereit stehenden Reisebussen. Dabei kam es zu herzlichen Begegnungen und intensiven Gesprächen, für die wir sehr dankbar sind.

Der „Marsch der Lebenden“ zeigt:
Das Volk Israel lebt! – AM ISRAEL CHAI!

Begrüßung der ungarischen Juden (Zug des Lebens)
Gedenken Selektionsrampe Auschwitz II
Marco Feingold – Überlebender (100 Jahre alt)
Auschwitz I – Marschaufstellung
Gras darüber gewachsen – aber nicht vergessen
Ankunft Zug des Lebens in Oswiecim
Medienarbeit / Presse Versöhnungsarbeit