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Interview mit Ron Prosor

von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 4. Mai 2022

Zu dem ersten Interview nach seiner Berufung zum nächsten Botschafter in Deutschland durch Außenminister Yair Lapid erschien Ron Prosor in einem maßgeschneiderten dunkelblauen Anzug. Er entschuldigte sich dafür, denn normalerweise tritt er eher „hemdsärmelig“ auf. An dem Morgen, vor dem Treffen, hatte er vor EU-Abgeordneten einen Vortrag gehalten. Zu dem Zweck habe er sich „anständig“ kleiden müssen.

Das Treffen fand in einem Straßencafé mit kleinen runden Tischen auf dem Bürgersteig statt. Warum dort? „Weil meine Mutter gleich gegenüber auf der anderen Straßenseite wohnt.“ Sie stammt aus Odessa und ist „sehr sprachbegabt“, erzählt Prosor. Nach ihrer Einwanderung nach Israel habe sie sich in Haifa in einem „rein deutschen Viertel“ niedergelassen. Unter diesen aus Deutschland eingewanderten Juden habe sie viele Sprachen erlernt. Nur Hebräisch, die Landessprache Israels, habe sie nie richtig beherrscht. Auch das ist sehr typisch für die deutschen Juden im Lande. In Haifa habe sie dann auch ihren Mann kennengelernt. Prosor bezeichnete seinen in Berlin geborenen Vater als einen „echten Preußen“.

Prosor hat bereits als Jugendlicher davon geträumt, die Welt zu sehen. Deshalb habe er eine Karriere im israelischen Außenministerium eingeschlagen. So könne man in der Welt herumkommen, ohne den Arbeitgeber wechseln zu müssen. Während seines Militärdienstes bei der Artillerie stieg er zum Bataillonskommandeur im Rang eines Majors auf. Danach studierte er Politologie an der Hebräischen Universität in Jerusalem und machte den Abschluss mit Summa cum laude.

Prosor, 1958 in Kfar Saba bei Tel Aviv geboren, erzählt, dass die „effektivste diplomatische Waffe“ Humor sei. Er erinnert sich an einen Vorfall in der UNO, wo er von 2011 bis 2015 der israelische Repräsentant war. Er erinnert sich, wie ein Delegierter eine Rede mit gehässiger Kritik an Israel hielt. Prosor meldete sich zu Wort und stellte ein paar humoristische Fragen. Der ganze Saal brüllte vor Lachen. Danach habe jener Delegierte nichts mehr ausrichten können, weil ihm niemand mehr zuhörte.

Prosor hat schon in den 1980iger Jahren in Bonn als Sprecher der Botschaft gedient. Damals hatten wir uns schon kennengelernt. 2006 war er wegen seiner fließenden Deutschkenntnisse im Gespräch. Schimon Stein als Botschafter in Deutschland abzulösen, doch Prosor war noch Generaldirektor des Außenministeriums und wurde zunächst nach New York zur UNO und nach London versetzt.

Wir pflegten schon lange zuvor gute Beziehungen zur israelischen Botschaft. 1973 zum Beispiel, nachdem der Jom Kippur Krieg plötzlich ausgebrochen war, verfügte Willy Brandt ein deutsches Waffenembargo gegen Israel. Infolge des ägyptisch-syrischen Überraschungsangriffs kämpfte Israel jedoch um das Überleben und war dringend auf militärischen Nachschub angewiesen. Den Amerikanern war jedoch verboten worden, Waffen nach Israel zu bringen und Deutschland zwecks Auftanken als Zwischenstation zu benutzen.

Dank der guten persönlichen Kontakte zur israelischen Botschaft in Bonn gelang es uns, eine Genehmigung für den Rückflug nach Israel zu erhalten. Wir hielten uns zu einem Forschungsprojekt in Deutschland auf, als im Oktober der Jom Kippur plötzlich ausbrach. Die EL AL Maschine parkte auf dem Frankfurter Flughafen nahe Ramstein.  Dabei wurden wir Zeuge einer bemerkenswerten Schmuggel-Aktion. Starke Männer erschienen mit länglichen Kisten in den Armen und legten sie auf die leeren Sitze hinten im Flugzeug. Nach der Ankunft in Tel Aviv konnten wir die Aufschriften entziffern. Es stellte sich heraus, dass die Amerikaner mit unserer Passagiermaschine Raketen und Panzergranaten nach Israel geschafft hatten.

Später, nach der Wende, war Prosor an der Botschaft in Berlin. Zwischendurch diente er in Washington, an der UNO und in London. Stets hat sich durch Interviews in den Medien einen Namen gemacht. Allein die Liste der prominenten Posten zeigt, dass Prosor als einer der fähigsten Diplomaten Israels gilt. Ihm kommt der freundschaftliche Umgangston und die unkomplizierte Art seiner Begegnungen mit anderen Menschen zugute.

Von Berlin aus hat er als erster israelischer Diplomat nach der Wende intensiv Ostdeutschland bereist und „sehr gute Kontakte“ geknüpft. Das war für israelische Diplomaten reines Neuland. Die DDR war unter der sowjetischen Herrschaft extrem israel-feindlich. Sie rüstete Israels Erzfeind Syrien mit Waffen auf und schickte Berater. Zuneigung zu Israel war in der ehemaligen DDR auch ein Zeichen des Widerstandes gegen das verhasste kommunistische Regime.  In Sachsen und Thüringen sind seither mehrere Vereine gegründet worden, die Beziehungen mit Israel vertiefen, darunter die Sächsischen Israelfreunde. 

Angesichts der besonderen Struktur Deutschlands betonte Prosor die Bedeutung der Bundesländer. Vor allem in der Bildungspolitik seien die Bundesländer autonom. Da sei es auch möglich, Kontakte zwischen israelischen Startups und deutschen Unternehmen zu knüpfen. Über die Länder könne der aus seiner Sicht sehr wichtige Jugendaustausch eher verstärkt werden, als auf Bundesebene. 

Immer wieder tauchten während des Interviews Bekannte auf, die Prosor begrüßten. Als der amerikanische Rabbiner Abraham Cooper vorbeikam, endete das Interview, weil sich Prosor mit Cooper an einen anderen Tisch setzte. Cooper ist unter anderem der Leiter des Simon Wiesenthal-Zentrums in Wien.

(C) Ulrich W. Sahm

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