Zusammen mit vielen hundert geladenen Gästen feierten die Präsidenten Israels und Deutschlands, Reuven Rivlin und Joachim Gauck, am 12. Mai die Aufnahme diplomatischer Beziehungen vor 50 Jahren. Der Einladung zum Festakt in die Berliner Philharmonie waren auch der Vorsitzende und der Geschäftsführer der Sächsischen Israelfreunde e.V., Lothar Klein und Wilfried Gotter gefolgt.
In seiner Begrüßungsrede erinnerte Bundespräsident Gauck an die erste Begegnung zwischen dem israelischen Ministerpräsidenten David Ben-Gurion und Bundeskanzler Konrad Adenauer am 14. März 1960 im New Yorker Waldorf Astoria Hotel. Er zitierte aus dem Bericht des Reporters der Jerusalem Post, Ari Rath, der das Glück hatte, als einziger Journalist in Adenauers Suite zum Zeugen dieser historischen Begegnung zu werden: „Adenauer kam Ben-Gurion im Vestibül entgegen.
Die beiden Staatsmänner, 74 und 84 Jahre alt, klein, mit einer wilden weißen Haarmähne der eine, groß und hager der andere, ein unvergessliches Bild. Mich wunderte, wie innig die beiden einander begrüßten, als würden sie einander seit Jahren kennen und als spielte die schmerzvolle Vergangenheit zwischen ihnen beiden keine Rolle.“ Weiter sagte der Bundespräsident: „Es ist der Atem der Geschichte, den uns der Reporter hier spüren lässt: Zum ersten Mal seit der Schoah schien damals eine Verständigung zwischen Deutschland auf der einen Seite und Israel und dem Judentum auf der anderen wieder möglich zu sein.
Als Ludwig Erhard und Levi Eshkol fünf Jahre später dann den Austausch von Botschaftern vereinbarten, bereiteten sie den Boden für eine Entwicklung, die sich kaum jemand hatte vorstellen können: Aus diplomatischen Beziehungen erwuchs eine enge Partnerschaft, zunächst zwischen Israel und der Bundesrepublik, nach dem Fall der Mauer dann zwischen Israel und dem geeinten Deutschland. Und aus dieser Partnerschaft wurde allmählich eine tiefe Freundschaft. Ja, es ist ein Wunder, was sich in den vergangenen fünfzig Jahren ereignet hat zwischen unseren beiden Ländern.
Ein Wunder, das nur Wirklichkeit werden konnte, weil Israelis den Deutschen Vertrauen schenkten. Daran erinnern wir uns heute Abend voller Freude und Dankbarkeit. (…) Hier im Saal sind heute viele junge Frauen und Männer, die sich für die israelischdeutschen Beziehungen engagieren. (…) Ihnen und allen anderen, die sich für die Freundschaft zwischen unseren Ländern einsetzen, danke ich von Herzen. (…)
Ich will heute Abend aber auch nicht verschweigen, was mir Sorgen bereitet. Während eine große Mehrheit der jüdischen Israelis heute positiv über Deutschland denkt, hat fast die Hälfte der Deutschen eine schlechte Meinung von Israel.
Dies geht aus einer aktuellen Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor, die uns zugleich Mahnung und Ansporn sein sollte. Denn sie zeigt: Wir dürfen uns nicht zurücklehnen und darauf vertrauen, dass einfach weitergeht, was sich in den letzten fünfzig Jahren so gut entwickelt hat. Wir müssen uns fragen, was wir tun können, um die israelisch-deutsche Freundschaft weiter zu vertiefen und in unseren Gesellschaften zu verankern.
Ich wünsche mir deshalb noch mehr Begegnungen, noch mehr Impulse, noch mehr Interesse und Empathie. Es ist gut, dass wir in diesem Jubiläumsjahr den neuen deutschisraelischen Freiwilligendienst einläuten können. Er bietet jungen Leuten die Möglichkeit, sich im Partnerland in sozialen, ökologischen und kulturellen Projekten zu engagieren. So können auch künftige Generationen von Israelis und Deutschen einander kennenund verstehen lernen. (…) Israel und Deutschland sind für immer verbunden durch die Erinnerung an die Schoah.
Wir werden nicht zulassen, dass das Wissen um die besondere historische Verantwortung Deutschlands verblasst. Richtig ist aber auch, dass uns längst viel mehr verbindet als die schmerzvolle Geschichte. Wir stehen für die gleichen Werte ein, für Freiheit, Demokratie und die universellen Menschenrechte. Auf diesem festen Fundament können wir einander als Gleiche begegnen und unsere Unterschiede leben. Und wir können unsere Zukunft gemeinsam gestalten.
Die Berliner Philharmoniker werden gleich ein temperamentvolles Werk für uns spielen: die italienische Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy. Lassen Sie uns den Schwung und die völkerverbindende Kraft der Musik mitnehmen. Lassen Sie uns die israelisch-deutsche Freundschaft gemeinsam in die Zukunft tragen. Ich freue mich, dass wir heute Abend zusammen feiern können – ein halbes Jahrhundert des Miteinanders ebenso wie den Unabhängigkeitstag des Staates Israel, zu dem ich allen Bürgerinnen und Bürgern nachträglich gratuliere, auch im Namen meiner Landsleute. Herzlichen Glückwunsch!“
Als der Bundespräsident zu seinem Platz zurückkehrte, schloss ihn Reuven Rivlin in seine Arme, was die Gäste mit großem Beifall belohnten. Danach trat Israels Staatspräsident an das Rednerpult und sagte: „Das kam von meinem Herzen zu Ihrem Herzen!“ Nach einigen Ausführungen zur deutsch-jüdischen Geschichte von Moses Mendelssohn und dessen Enkel Felix Mendelssohn Bartholdy sagte Rivlin: „Mir und allen Bürgern Israels ist die echte Freundschaft zwischen Ihrem und meinem Land sehr wertvoll.
Sie ist Ausdruck unserer Fähigkeit, aus der Last der schrecklichen historischen Vergangenheit herauszutreten, ohne diese, Gott behüte, auch nur für einen einzigen Augenblick zu vergessen. Sie ist Ausdruck unserer Fähigkeit, der Vergangenheit zu gedenken, die sich in unsere Körper und unsere Seele eingeprägt hat, und den Blick auf die Zukunft zu richten, ohne auf die Gegenwart zu verzichten. (…) In diesen Tagen, in denen eine Welle von Terror, Gewalt, Intoleranz und religiöser Verfolgung den Nahen Osten überrollt, in diesen Tagen, in denen Antisemitismus, Faschismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf den Straßen Europas in Form von stärker werdenden extremen nationalistischen Parteien und Bewegungen wieder ihr hässliches Gesicht zeigen, müssen wir in Israel und in Deutschland zusammenstehen. Es ist unsere Pflicht, in Berlin und in Jerusalem, uns weiterhin den bösen Kräften entschlossen entgegenzustellen, die unsere gemeinsamen Werte, allen voran die Würde des Menschen, zerstören wollen.
Gemeinsam stehen wir weiterhin mit Entschlossenheit zu unserer gemeinsamen Verpflichtung, universelle Werte auch in einer komplexen politischen Realität aufrecht zu erhalten. Gemeinsam werden wir die Interessen der freien Nationen vor den zu erwartenden Gefahren verteidigen. (…) Herzlichen Dank an Sie alle. Seien Sie gesegnet. Ich wünsche Ihnen ein schönes Konzert.“
Die Aufführung der Vierten („Italienischen“) Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy durch die Berliner Philharmoniker unter der Leitung von Paavo Järvi war ein besonderer musikalischer Hochgenuss. Im Anschluss begaben sich die Gäste in das Foyer der Philharmonie zum Empfang, zu dem die Staatsoberhäupter eingeladen hatten. Hier trafen sich Deutsche und Israelis, Juden und Gojim, denen die deutsch-israelischen Beziehungen seit vielen Jahren am Herzen liegen, mit gleichgesinnten Politikern, Kirchenvertretern und Journalisten, aber auch mit solchen, die nur ein Pflichtprogramm erfüllten.
Natürlich wurden auch leckere israelische Snacks und Getränke gereicht. Trotz der vielen Menschen, von denen die beiden Gastgeber umringt waren, gelang es Lothar Klein zu Reuven Rivlin und Joachim Gauck vorzudringen, um Ihnen für ihre tief gehenden Worte zu danken und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Sehr genau konnte sich Präsident Rivlin daran erinnern, dass er im November 2011, damals noch als Sprecher der Knesset, die Leiter mehrerer christlicher Pro-Israel-Organisationen aus der ganzen Welt, darunter auch der Sächsischen Israelfreunde e.V., im Parlament des Staates Israel willkommen geheißen und ihnen für deren Engagement für Holocaustüberlebende und für die Beziehungen ihrer Länder zu Israel gedankt hatte.
Den hochrangigen Gesprächen folgte ein intensiver Austausch mit vielen alten und neuen Israelfreunden über die aktuelle Situation in und um Israel, die Verantwortung Deutschlands und die Herausforderungen an Israelfreunde, die sich aus der von Bundepräsident Joachim Gauck angesprochenen schlechten Meinung vieler Deutscher über Israel ergeben.
Das gemeinsame Begehen dieses Jubiläums soll für uns alle Ermutigung sein, nicht nachzulassen im Engagement für die Beziehungen zwischen Deutschland und dem jüdischen Staat Israel.