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UN-Resolution: Deutschlands Stimme gegen Jerusalem ist beschämend

US-Präsident Trumps Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels ist in der UN abgeschmettert worden. Mit Zustimmung der Deutschen. Wie konnte es zu diesem Prinzipienbruch kommen?

Wenn man die Geschichte der letzten 100 Jahre – kreisend um das Schlüsselereignis, den Holocaust – etwas (aber nur unwesentlich) vereinfacht, dann gibt es ein Tätervolk, die Deutschen, ein Opfervolk, die Israelis, und eine Gemeinschaft der Retter, die Alliierten. Die Deutschen haben die Ermordung von sechs Millionen Juden organisiert und „durchgeführt“.

Als Refugium vor geschichtlichen Wiederholungen entstand der Staat Israel. Und ohne die Amerikaner und die Alliierten wäre Hitlers Völkermord nicht beendet und der Neuanfang Deutschlands in Freiheit nicht ermöglicht worden.

Ausgerechnet den Amerikanern verdanken die Täter die Verteidigung (durch die Luftbrücke) und Renaissance (durch die Ermöglichung der Wiedervereinigung) ihrer alten und neuen Hauptstadt Berlin.

Da wirkt es schon dreist, dass ausgerechnet die Deutschen im Mainstream der Kritikbewegung schwimmen, die Trumps Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels nun auch in Form einer UN-Resolution verdammt. Es hätte gute Gründe gegeben, die Entscheidung ausgerechnet für Berlin – ein Symbol der Hybris der Mörder – als deutsche Hauptstadt im Ausland zu kritisieren (ich war dennoch immer vehement dafür). Es gibt indes keinen guten Grund, gegen den seit 22 Jahren überfälligen Vollzug der amerikanischen Kongressentscheidung zu sein, den Beschluss der souveränen Demokratie Israels für seine Hauptstadt zu respektieren.

Nur weil Trump die Entscheidung getroffen hat? Das wäre unsinnig. Es kommt immer wieder vor, dass die falsche Person das Richtige tut.

Weil es die Palästinenser und die muslimischen Nachbarländer provoziert? Nicht sonderlich plausibel. Die Jahrzehnte währende Politik des Lavierens hat in der Region weder Frieden noch Stabilität gebracht. Es ist ein Gebot der Vernunft, es nach dieser Serie der Misserfolge zur Abwechslung einmal anders zu versuchen: mit einer bisher nie da gewesenen Politik der Stärke und der Geschlossenheit des Westens. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies die totalitären Regime der Region beeindruckt und zu einer Lösung bringt, ist höher als das Appeasement der EU.

Bleibt noch das Argument, eine Zweistaatenlösung würde so unmöglich. Das ist besonderer Unfug. Warum sollte eine solche Lösung nicht aus einer solidarischen Position der westlichen Werteallianz eher und erfolgreicher geschmiedet werden als in einem Szenario, in dem die Nachbarn Israels die Freunde ihres Erzfeindes stets erfolgreich spalten können?

Die Botschaft der Geschlossenheit wäre stark: Wir stehen zur Hauptstadt eines anerkannten Staates, der zudem der einzige demokratische Brückenkopf in einer nicht demokratischen Region ist. Künftige Kompromisse begönnen so auf einer kraftvollen Basis. Und statt diplomatischer Krokodilstränen könnte endlich echte Empathie für die missliche Lage der Palästinenser entwickelt werden.

Die Argumente gegen die Entscheidung sind allesamt an den Haaren herbeigezogen. Und dass nun ausgerechnet Deutschland diese Resolution der UN unterstützt, ist ein Paradigmenwechsel. (Gibt es eigentlich irgendetwas Sinnvolles oder Wertstiftendes, das die Steuergeld verschwendenden UN in den letzten Jahren initiiert und bewirkt haben?)

In der Vergangenheit hat sich Deutschland in der berechenbar antiisraelischen Weltorganisation zumindest immer enthalten, wenn es um unsere Freunde ging, deren Existenzrecht angeblich deutsche Staatsraison ist.

Jetzt erteilen wir – während auf deutschen Straßen der Antisemitismus sein immer aggressiveres Gesicht zeigt – ausgerechnet in israelischen Hauptstadtfragen Lektionen. Aber wenn Prinzipienlosigkeit zum Prinzip wird, dann muss man sich auch darüber nicht mehr wundern. Nur ein wenig schämen.

Mathias Döpfner ist CEO der Axel Springer SE, zu der auch die WELT gehört.

Quelle: WELT vom 23.12.2017

Mathias Döpfner kritisiert die UN-Resolution gegen Trumps Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels, Quelle: Andreas H. Bitesnich; AFP
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