Zeitschrift "ZUM LEBEN"

Zum Leben 1 | 2011 - Tal Joschafat

Zum Leben 1 | 2011

Liebe Israelfreunde,

nach der Schreckensherrschaft der National-Sozialisten mit dem Massenmord an den Juden Europas hat es in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Untersuchungen darüber gegeben, wie solche Verbrechen vom Mutterland der Reformation ausgehen konnten. Wie konnte es geschehen, dass Juden ihrer Würde, ihres Eigentums und schließlich ihres Lebens beraubt wurden. Und wie war es möglich, dass  sogenannte „Deutsche Christen“, aus Jesus einen Arier machen wollten und in Adolf Hitler ihren von Gott gesandten Führer sahen. Wie ist es zu erklären, dass evangelische Christen, die um den jüdischen Ursprung ihrer Bibel und ihres Christus wussten, im thüringischen Eisenach ein sogenanntes Entjudungs¬institut gegründeten, dessen Aufgabe es war, alle jüdischen Bezüge aus der Bibel, aus kirchlichen Schriften und aus Gesangbuchliedern zu entfernen? Leider hat es bezüglich der Juden nur ganz wenige kritische kirchliche Stimmen gegeben, wie Dietrich Bonhoeffer mit seiner bereits 1933 erschienenen Schrift „Die Kirche vor der Judenfrage“ und seiner Mahnung, „Nur wer für die Juden schreit, darf auch Gregorianisch singen!“ – Bonhoeffer und andere haben dafür mit ihrem Leben bezahlt. – Doch die große Masse hat nicht nur geschwiegen, sondern ist ihrem „Führer“ gläubig und gehorsam ins Verderben gefolgt.

Nicht nur die unsägliche Schrift des gealterten Luther, „Von den Jüden und ihren Lügen“, hat dazu „geistlich“ das Feld bereitet. Falsche theologische Weichenstellungen gab es mit der sogenannten Substitutions- bzw. Ersatztheologie oder auch Enterbungslehre in Europa schon viel früher. Nun gehört dies wahrlich nicht zu den einzigen Irrungen und Wirrungen der Kirchengeschichte. Doch hat gerade diese Lehre – bis hin zum Holocaust – die gravierendsten Folgen für das Volk mit sich gebracht, dem wir die Bibel verdanken und aus dem unser Herr Jesus Christus als Mensch hervorgegangen ist. Meistens ging und geht dies mit dem Ziel einher, das jüdische Volk von seinem Land, seinem Messias, seiner Geschichte sowie seinen Verheißungen und seiner Berufung zu trennen. Da heißt es: Da die Juden Jesus nicht als Messias erkannt hätten, sondern für seine Kreuzigung verantwortlich sind, seien die ihnen von Gott gegebenen Verheißungen als auserwähltes Volk nun auf die Kirche übergegangen. Die Vernichtung des alten Königreiches Israel mit Jerusalem und dem Tempel sowie die Zerstreuung der Juden unter alle Völker sei der Beweis dafür. Da heißt es weiter: Die heute lebenden Juden und der heutige Staat Israel haben mit dem alttestamentlichen Israel nichts zu tun.

Wenn dies durch gottlose Menschen geschieht, weil ihnen der lebende Beweis der Treue des lebendigen Gottes gegenüber seinem Volk ein Dorn im Auge ist, so ist das noch nachvollziehbar. Oft geschieht das aber – bis in unsere Tage hinein – durch Christen, die über jeden Verdacht erhaben sind, ihre Bibel nicht zu kennen und diese nicht als das Wort des lebendigen Gottes anzusehen.

Da lautet beispielsweise der Titel einer Landkarte im Kartenteil einer von der Deutschen Bibelgesellschaft herausgegebenen Lutherbibel: „Palästina zur Zeit des Alten Testaments“. Jedem halbwegs geschichtlich gebildeten Zeitgenossen ist bekannt, dass es erst der Römische Kaiser Hadrian war, der nach der Niederschlagung des Bar-Kochba-Aufstandes im Jahr 135 n.Chr. den Juden unter Androhung der Todesstrafe den Zutritt zur Stadt Jerusalem verbot, sie in Aelia Capitolina und die römische Provinz Judäa in Syria Palaestina (Philisterland) umbenannte, um gleich zu Beginn der Diaspora und des Jahrhunderte andauernden Leidensweges des jüdischen Volkes die Erinnerung an jeden jüdischen Bezug auszulöschen. Das heutige Israel hat mit dem des Alten Testaments genauso wenig und genauso viel zu tun, wie unsere heutigen Gemeinden mit der Jerusalemer Urgemeinde. Es ist gerade diese Geschichte der fortwährenden Verfolgung der Juden, – vorzugsweise im christlichen Europa – die die Kontinuität israelitischer Existenz seit der Vertreibung durch die Römer bis heute verdeutlicht. So hat beispielsweise nicht einmal die Ehrung ihrer Verdienste als Frontkämpfer im I. Weltkrieg mit dem „Eisernen Kreuz“ die vollkommen assimilierten deutschen Patrioten jüdischer Abstammung vor der Vernichtung durch die National-Sozialisten bewahrt. Und es waren genau diese Verfolgungen, die mit der größten moralischen Katastrophe des vergangenen Jahrtausends im einst christlichen Abendland noch lange kein Ende gefunden und die überlebenden Juden zurück nach Zion getrieben haben. Aber auch dort gönnt man ihnen keinen Frieden.

Ähnlich wie einst die „Deutschen Christen“ vertreten heute Kirchenfunktionäre im Nahen Osten im so genannten „Kairos-Palästina- Dokument“ Positionen, die dem jüdischen Volk in ihrer angestammten, von Gott verheißenen Heimat die heilsgeschichtliche Bedeutung und Berufung absprechen. Auch diese geben ihrem arabischen Nationalismus, der sie mit ihren muslimischen Volksgenossen verbindet, einen höheren Stellenwert als die geistliche Tatsache, dass sie durch Jesus Christus als „wilde Zweige“ aus den Heiden in den edlen Ölbaum Israel eingepfropft sind (Römer 11). Obwohl der Prophet Sacharja im 9. Kapitel auch den Philistern eine Friedensverheißung gibt, indem er „aus ihrem Munde das wegnehmen wird und was ihm ein Gräuel ist, von ihren Zähnen, dass auch sie unserm Gott übrig bleiben und wie ein Stamm in Juda“, schieben die arabischen Christen allein den Juden die Schuld für den Konflikt zu. In Nazi-Deutschland hieß das: „Die Juden sind unser Unglück!“

In dem Papier wird die Welt auch zum Boykott jüdischer Produkte aufgerufen, obwohl gerade die Gewerbeparks der jüdischen Städte und Dörfer in Judäa und Samaria den arabischen Nachbarn die einzige Möglichkeit bieten, den Lebensunterhalt für ihre Familien zu verdienen. Mich erinnert der Boykottaufruf an die Aufforderung der National-Sozialisten: „Kauf nicht beim Juden!“ Obwohl der arabische Terror gegen Juden im Nahen Osten schon seit den 20er Jahren im Gange ist, – also lange vor der Staatsgründung Israels und dem Sechstagekrieg – sieht man in der Existenz jüdischer Städte und Dörfer das Grundübel des Konflikts. Auch das erinnert wieder an einen Nazi- Slogan: „Juden sind hier nicht erwünscht!“ Doch wo Juden nicht erwünscht sind, wird auch der König der Juden keinen Einzug halten. Das gilt auch für Kirchen! Jesus ist in Zeit und Ewigkeit nicht von seinem Volk zu trennen. Der Missionsauftrag, den der auferstandene Herr in Matthäus 24 erteilt, ergeht an seine jüdischen Jünger und die aus Juden bestehende erste Gemeinde. Und es war der Jude Paulus von Tarsus, der als Völkerapostel den Grund dafür gelegt hat, dass auch uns das Evangelium erreicht hat und wir durch Jesus Christus als „wilde Zweige“ (Römer 11) aus den Heiden in den Stamm des edlen Ölbaums Israels eingepfropft sind und aus ihm auch unsere geistliche Nahrung ziehen. Erst recht wird die Zusammengehörigkeit zwischen der Gemeinde Jesu und Israel auf den letzten Seiten der Bibel bekräftigt. In Offenbarung 15, Verse 2 bis 4 können wir lesen: „Dann sah ich etwas, das einem gläsernen Meer glich und mit Feuer durchsetzt war. Und die Sieger über das Tier,
über sein Standbild und über die Zahl seines Namens standen auf dem gläsernen Meer und trugen die Harfen Gottes. Sie sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied zu Ehren des Lammes: Groß und wunderbar sind deine Taten, / Herr, Gott und Herrscher über die ganze Schöpfung. Gerecht und zuverlässig sind deine Wege, / du König der Völker. Wer wird dich nicht fürchten, Herr, / wer wird deinen Namen nicht preisen? Denn du allein bist heilig: / Alle Völker kommen und beten dich an; / denn deine gerechten Taten sind offenbar geworden.“ Und in Offenbarung 21, Verse 9 bis 14 steht: „Und es kam zu mir einer von den sieben Engeln, die die sieben Schalen mit den letzten sieben Plagen hatten, und redete mit mir und sprach: Komm, ich will dir die Frau zeigen, die Braut des Lammes. Und er führte mich hin im Geist auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt Jerusalem herniederkommen aus dem Himmel von Gott, die hatte die Herrlichkeit Gottes; ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, einem Jaspis, klar wie Kristall; sie hatte eine große und hohe Mauer und hatte zwölf Tore und auf den Toren zwölf Engel und Namen darauf geschrieben, nämlich die Namen der zwölf Stämme der Israeliten: von Osten drei Tore, von Norden drei Tore, von Süden drei Tore, von Westen drei Tore. Und die Mauer der Stadt hatte zwölf Grundsteine und auf ihnen die zwölf Namen der zwölf Apostel des Lammes.“

Und noch etwas sollte klar sein: Wenn Jesus wiederkommt, wird er nicht in Rom, Wittenberg, Bad Blankenburg, Wetzlar oder Lausanne ankommen, sondern in Jerusalem!

Apropos Lausanne: Was würde wohl die holländische Evangelistin und Mitinitiatorin der Lausanner Bewegung für Weltevangelisation, Corrie ten Boom, zur jüngsten Erklärung der 3. Weltmissionskonferenz der Lausanner Bewegung sagen, die vom 16. bis 25. Oktober letzten Jahres im südafrikanischen Kapstadt stattfand. Dort heißt es unter 4a): „Wir glauben dem Zeugnis der Evangelien, dass Jesus von Nazareth der Messias ist, von Gott bestimmt und gesandt, um den einzigartigen Auftrag des alttestamentlichen Volkes Israel zu erfüllen: allen Nationen den Segen der Erlösung zu bringen, so wie Gott es Abraham verheißen hat.“

Wenn in dem Papier von Israel die Rede ist, dann in der Weise, dass es auf seine „alttestamentliche Rolle“ festgelegt und begrenzt wird. Diese Formulierung lässt den Schluss zu, der besondere Auftrag oder die Berufung Israels habe sich mit Jesus erledigt. Das biblische Zeugnis auch des Neuen Testaments spricht da eine deutlich andere Sprache: Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.

Eine Corrie ten Boom hat das gewusst. Darum hat sie sich unter Gefahr für ihr eigenes Leben während der Besetzung Hollands durch die National-Sozialisten für die Rettung von Juden eingesetzt. Corrie und ihre Schwester Betsie wurden verraten und mussten die Qualen des KZ Ravensbrück erleiden. Betsie hat dies nicht überlebt. Corrie wurde später von der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem mit dem Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“ ausgezeichnet. Wenn sich eine Corrie ten Boom in lebensgefährlichen Zeiten um Jesus Willen für „diese seine geringsten Brüder“ eingesetzt hat, darum sollten wir es heute, wo wir für das Existenzrecht des jüdischen Volkes und Staates eintreten können, ohne gleich unser Leben zu riskieren, erst recht tun. Das Mindeste ist, gegen das Messen mit zweierlei Maß bezüglich Israels unsere Stimme zu erheben.

Wenn das Schicksal der 650.000 arabischen Flüchtlinge, die das Gebiet nach der Staatsgründung Israels verlassen haben, weltweit in aller Mund ist, dieselbe Welt jedoch zum Schicksal der 870.000 jüdischen Flüchtlinge aus arabischen Ländern schweigt, ist ein markantes Beispiel für dieses Messen mit zweierlei Maß. Was ist dies anderes als Antisemitismus?

Ihr/Euer

Lothar Klein,
Vorsitzender

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