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| Ulrich W. Sahm, Jerusalem

Zum Boykott von Waren aus den „besetzten palästinensischen Gebieten“

Die erwähnten „Wassersprudler“ stammen von der Firma Sodastream und haben weltweite Schlagzeilen erzeugt. In der Zwischenzeit hat diese israelische Firma ihre Produktionsstätte in die Negevwüste verlegt. In der Folge sind hunderte Palästinenser, vor allem aus dem Jerusalemer Vorort Issawije, arbeitslos geworden. Denn in den so genannten „illegalen“ jüdischen Siedlungen arbeiten insgesamt etwa 30.000 Palästinenser. Als der ehemalige palästinensische Premierminister Salam Fajad Palästinensern verbieten wollte, in Siedlungen zu arbeiten, gab es einen Aufstand. Denn dann wären 30.000 Palästinenser, mit familiärem Anhang etwa 300.000 Menschen im Westjordanland, ohne Einkünfte. Die Autonomiebehörde musste nachgeben, weil sie keine alternativen Arbeitsplätze anbieten könnte.

Der Begriff „Palästinensergebiete“ wird sehr willkürlich verwendet. Der Begriff dürfte eigentlich nur für jene Gebiete gelten, die im Rahmen der Osloer Verträge 1994 und danach an die Palästinenser übergeben und geografisch genau abgesteckt worden sind. Dort gibt es weder Siedlungen noch jüdische Bewohner. Während der ursprünglich von Ägypten besetzte Gazastreifen im Jahr 2005 von Israel komplett geräumt worden ist und heute von der Hamas-Organisation kontrolliert wird, hält Israel bis heute noch große Teile des Westjordanlandes Dieses Gebiet war nach 1949 von Jordanien besetzt und annektiert worden, was aber außer Pakistan und Großbritannien niemand anerkannt hat.

1967 hat Israel diese Gebiete erobert und zu einem besetzten Gebiet erklärt, was bis heute von einer israelische Militärherrschaft kontrolliert wird. 1994 wurden die Palästinensischen Städte den Palästinensern zur Selbstverwaltung übergeben. Die restlichen Gebiete werden bis heute von Israel kontrolliert. Da es seit der britischen Mandatsmacht und zuvor der Osmanen dort keinen souveränen Herrscher gegeben hat, können diese Gebiete nicht als „Palästinensisch“ bezeichnet werden. Die Palästinenser erheben zwar Ansprüche auf diese Gebiete, haben dort aber keine Vollmacht. Diese Gebiete heute schon als „palästinensisch“ zu bezeichnen, ist ein Vorgriff auf mögliche künftige Entwicklungen. Ob daher die dortigen jüdischen Siedlungen tatsächlich „illegal“ sind, ist heftig umstritten.

Erst im Jahr 2009 hatte der amerikanische Präsident Obama in einer historischen Rede in Kairo die Siedlungen für „illegal“ erklärt. Bis dahin galten sie lediglich als „Hindernis“ für den Frieden, auch bei den Europäern. Ob sie tatsächlich ein Hindernis darstellen, ist fraglich, denn Israel hat mehrfach Siedlungen geräumt. Erst 1982 im Rahmen des Friedensvertrags mit Ägypten, als die Sinai-Halbinsel komplett geräumt worden ist. Dann hat Israel auf Weisung von Premier Ariel Scharon 2005 alle Siedlungen im Gazastreifen und zusätzlich aus dem Norden des Westjordanlandes geräumt. Doch anstelle von Frieden erhielten die Israelis Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen. Das hat in der Bevölkerung Israels die Bereitschaft zu weiteren territorialen Zugeständnissen spürbar gemindert.

In jedem Fall ist die Souveränität im Westjordanland weiterhin offen. Die Israelis betrachten diese Gebiete als herrenlos, solange sie niemandem vertraglich zugeschlagen worden sind. Deshalb gelten nach israelischer Ansicht auch nicht die Konventionen, die für die Besetzung von Gebieten eines fremden Staates gelten. Laut Genfer Konvention ist es einem Besatzerstaat verboten, seine eigene Bevölkerung in besetzte Gebiet zu „deportieren oder zu transferieren“. Beides trifft jedoch auf die israelischen Siedlungen im Westjordanland gewiss nicht zu. Und der Begriff „illegale jüdische Siedlungen“ würde voraussetzen, dass im internationalen Völkerrecht irgendwo speziell Juden verboten ist, irgendwo zu wohnen oder zu siedeln. Ein entsprechendes Völkerrecht hat bisher noch niemand gefunden. Ohnehin heißt es bei deutschen Behörden, dass das Völkerrecht eine „Mehrheitsmeinung“ sei. So gesehen könnte eine Mehrheitsmeinung der Staaten in der Welt oder der EU beschließen, dass die Welt eine Scheibe sei.

Medienarbeit / Presse