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| Tabea Adler, Postdam

„Wir müssen die Pforten der Hölle verschließen“

Bericht von der Gedenk- und Gebetskonferenz der „Initiative 27. Januar“ aus Anlass des 70. Jahrestages der Wannseekonferenz vom 20. – 22. Januar in Berlin

70 Jahre nachdem 15 Männer in einer Villa am Berliner Wannsee über das Leben von 11 Millionen Juden entschieden haben und damit die Todesmaschinerie zur Perfektion trieben, versammelten sich 400 Menschen in der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt in Berlin um zu Gedenken. Gedenken an eine Zeit, in der die Pforten der Hölle geöffnet wurden, wie es Prof. Gert Weisskirchen (MdB a.D.) treffend aufzeigte. Sie wurden geöffnet, weil sie keiner oder zu wenige bewacht hatten.

Die Veranstaltung sollte aber nicht die Schuld der Deutschen thematisieren, sondern die Verantwortung, so Emmanuel Nachshon, Gesandter der Israelischen Botschaft: „Es ist in der Tat eine historische Verantwortung, die auf den Schultern Deutschlands und eines jeden Deutschen liegt.“

Unsere Verantwortung und Aufgabe ist es, uns der Gefahr des Vergessens, der Gefahr der Umdeutung und der Gefahr der Wiederholung in den Weg zu stellen, so Harald Eckert, Vorsitzender der Initiative 27. Januar e.V., welche gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde zu Berlin diese Veranstaltung ins Leben rief. Der nächste Schritt in den kommenden drei Jahren soll daher ein Netzwerk der einzelnen Vereine und Organisationen sein, die gemeinsam eine klare Botschaft in die Welt senden: Wir müssen die Pforten der Hölle bewachen und verschließen!

Für diese Botschaft bleibt uns aber nicht mehr viel Zeit. „Wir müssen uns beeilen“, appellierte die Knesset-Abgeordnete Lia Shemtov, damit die Geschichten der Überlebenden noch gesammelt werden und so die Leugner der Schoah entmachtet werden können. Sie bedankte sich im Namen der mit ihr gereisten israelischen Delegation, bestehend aus Vertretern von Verbänden der HolocaustÜberlebenden in Israel, für die Unterstützung von christlichen evangelikalen Organisationen, speziell bei Projekten, die Überlebende unterstützen. Sie betonte, dass die Regierung Israels in den evangelikalen Christen wahre Freunde Israels sieht.

Aber nicht nur dieser Satz bewegte das Herz jedes Einzelnen im Saal. Ein schweres Schlucken ging durch die Reihen, als diejenigen, die so tief verletzt wurden, es wieder wagten, mit Deutschen zu sprechen, wie es die Bundestagspräsidentin a.D. Frau Prof. Dr. Rita Süssmuth mit Dankbarkeit bekundete. Diese Bereitschaft trägt entscheidend dazu bei, dass die Geschichte nicht umgedeutet und relativiert werden kann.

Doch nicht nur Dankbarkeit bewegte den Saal zu einem langen, stehenden Applaus, als die SchoahÜberlebenden von Lia Shemtov begrüßt wurden. Als Gita Koifman, Vertreterin und Vorstandsmitglied des Verbandes der KZ- und Ghettoüberlebenden, mit zitternder, tränenschwerer Stimme vom Verlust ihrer Familie berichtete, herrschte eine erschütterte Stille im Kirchenraum, die nur durch verhohlenes Abwischen von Tränen unterbrochen wurde.

Unter den drei anwesenden aktiven Mitgliedern Bundestages befand sich – wie schon beim Israelkongress in Frankfurt – die sächsische Abgeordnete Bettina Kudla aus Leipzig. „Gedenken muss das Herz treffen“, ermahnt Prof. Weisskirchen die Zuhörer, von denen wohl nicht einer an diesem Tag unberührt blieb. Nicht nur der Verstand und das Wissen sollen gedenken, sondern das Fühlen. Denn nur das Fühlen führt zum Handeln, so dass die Pforten der Hölle nicht wieder aufgerissen werden können.

In dieses Fühlen, Vertrauen zu fassen, fiel dem Shoah-Überlebenden Sergey Sushon, nach eigener Aussage, schwer. Dennoch wurde für ihn, am folgenden Abend der Freundschaft und Begegnung, ein Traum war: Als freier Mann „im Zentrum der Vernichtung“ stehen und den freundlich blickenden Gesichtern seine Geschichte erzählen zu können.

Lesen Sie den ganzen Artikel in der Ausgabe 1/2012.

Gedenken im Französischen Dom
Gedenken im Französischen Dom
Lia Shemtov
Lia Shemtov
über Skype mit Jerusalem verbunden
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Versöhnungsarbeit Medienarbeit / Presse