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| Carmen Matussek

Muslim, Zionist und stolz

Kasim Hafeez gibt im Internet auf seinem Facebookprofil als seine politische Einstellung „Zionismus“ an. Er sei Muslim, Zionist, und stolz darauf. Noch vor wenigen Jahren hat er Israel gehasst. Sami Husain war Terrorist. Heute lehrt er an Schulen über den Nahostkonflikt und sagt, Muslime sollten aufhören, Israel zu bekämpfen, und es sich lieber zum Vorbild nehmen. Was ist mit den beiden passiert und was hat es mit muslimischem Zionismus auf sich?

Als der amerikanische Publizist Daniel Pipes von muslimischem Zionismus sprach, meinte er damit die vereinnahmende Verbundenheit der Muslime mit Jerusalem, die nicht zuletzt in den jährlichen Feierlichkeiten zum antiisraelischen al-Quds-Tag Ausdruck findet. Politisch ausgerichtete arabisch-israelische Gemeinschaftsprojekte und Friedensinitiativen stehen häufig auf einer Basis, die den Sicherheitsinteressen Israels zuwiderläuft, und vertreten Ziele wie „Das Ende der Besatzung“ oder gleich eine „Einstaatenlösung“.

Es gibt daneben bemerkenswerte Gruppen wie „Muslims against Anti-Semitism“, die glaubhaft und hingegeben eine Verständigung zwischen Juden und Muslimen suchen und islamischen Antisemitismus anprangern, ohne dabei allerdings so weit zu gehen, Israels Landanspruch zu verteidigen. Muslime wie Kasim und Sami hingegen setzen sich vehement für das Recht der Juden auf einen eigenen Staat ein – ohne Wenn und Aber und mit ganzer Kraft. Muslimische Zionisten können in der Regel von aufschlussreichen Begegnungen in ihrem Leben erzählen, die zu ihrem Gesinnungswandel geführt und sie zu Advokaten der israelischen Sache gemacht haben. Sie haben der Welt etwas zu sagen.

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Kasim wuchs in einer pakistanischen, sunnitischen Familie in England auf. Für seinen Vater war Adolf Hitler ein Held. Kasim selbst den intellektuellen Kampf gegen Israel zu rüsten, als ihm das Buch „Plädoyer für Israel“ von Alan Dershowitz in die Hände fiel. Diese „zionistische Propaganda“ wollte er wiederlegen – aber es gelang ihm nicht. Sein Weltbild geriet über den vergeblichen Mühen, der Wahrheit über Israel zu entkommen, so sehr ins Wanken, dass er darüber depressiv zu werden drohte. Als letztes Mittel, um sich von der „Apartheid“ im jüdischen Staat doch noch zu überzeugen, reiste er 2007 nach Israel. „An dem achtstündigen Security Check am Flughafen bin ich selbst schuld“, sagt Kasim. „Als ich gefragt wurde, aus welchem Grund ich Israel besuche, hätte ich sagen sollen: Ich bin hier, um Urlaub zu machen. Ich entschied aber, ganz ehrlich zu sein. Ich sagte: Wissen Sie, ich war antisemitisch…“

Als ein Beamter ihn den Gang entlang in sein Büro führte, hatte Kasim Angst, erschossen zu werden. Aber was folgte, war „keine schlechte Erfahrung.“ Es gab Kaffee, der Beamte war nett, entschuldigte sich die ganze Zeit. Aber weil Kasim mit einem neuen Pass unterwegs war und die Frage, welche Länder er in den letzten fünf Jahren bereist hatte, mit „Saudi Arabien und Pakistan“ beantwortet hatte, dauerte die Sitzung etwas länger. Kasim erinnerte sich an die rassistische Behandlung aufgrund seiner nicht-arabischen Herkunft bei seiner Pilgerfahrt nach Mekka. Aber hier, in „Apartheid- Israel“ wurde er respektvoll behandelt. „Das war meine erste Konversation mit einem Israeli.“

Kasim machte sich auf den Weg in die Altstadt Jerusalems. Er hätte nie gedacht, dass es ihm erlaubt sein würde, als Nicht-Jude, gar als Muslim, den heiligsten Ort des Judentums zu betreten. Hier, die Hand und die Stirn an der Klagemauer, kamen ihm folgende Gedanken: „Was tue ich hier? Ok, gut, hier bin ich im Staat Israel, einem jüdischen demokratischen Staat. Ich habe Muslime, Juden, Christen gesehen, die ihren täglichen Geschäften nachgehen, ohne jegliche Trennung. Araber in jeder Facette der Gesellschaft. Und dort weht die Flagge von Israel mit dem Davidstern.

Egal wie es hier weitergeht, welche Friedensabkommen unterzeichnet oder Konflikte ausgetragen werden: Da sind sechs Millionen, die es niemals bis hierher schaffen werden. Sechs Millionen, die mit dem Gedanken ‚Nächstes Jahr in Jerusalem‘ gestorben sind. Hier ist eine Nation, die ich gehasst habe. Ich habe viele Jahre meines Lebens der Mobilmachung dagegen gewidmet. Aber das ist die einzige echte Manifestation des ‚Nie wieder‘ für das jüdische Volk.“ Kasims Eifer für Israel hat seitdem stetig zugenommen. Er engagiert sich bei „Stand With Us“ und hat „The Israel Campaign“ selbst gegründet. Er ist fasziniert von Israel und seine Begeisterung ist ansteckend. „Das erstaunlichste ist, dass Israel ein Staat ist, dessen Leute es nicht zugelassen haben, dass der Hass ihrer Feinde definiert, wer sie sind. Ohne zu klischeehaft sein zu wollen: Es ist wirklich ein Land, das danach strebt, ein Licht unter den Nationen zu sein, in einer sehr dunklen Region.“

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Sami Husain ist in den 50er Jahren in einer offenen muslimischen Familie in Bagdad im Jüdischen Viertel aufgewachsen. „Als 19jähriger war ich ein Produkt der Gehirnwäsche unseres Systems. Ich glaubte, Israel bekämpfen zu müssen, und schloss mich im Süden Syriens der Volksfront zur Befreiung Palästinas an. Damals dachte ich, wir seien Freiheitskämpfer“, sagt Sami. Aber das Leben unter den Terroristen überzeugte ihn nicht. Einige Erlebnisse ließen ihn stutzig werden und er fragte sich, ob er wirklich auf der richtigen Seite kämpfte.

Als er schließlich selber zum Flüchtling vor dem Regime Saddam Husseins wurde, stellte er fest, dass ihn mit den jüdischen irakischen Flüchtlingen, die er in London traf, viel verband. „Tausende irakische Juden waren ebenfalls nach London geflohen. Ich habe mich mit ihrer Geschichte beschäftigt und gute Beziehungen zu ihnen aufgebaut. Unsere Probleme waren ähnlich. Wir hatten unter demselben Regime gelitten und waren aus unserer Heimat vertrieben worden. Der Irak hatte seine jüdische Bevölkerung sehr schlecht behandelt. Dabei waren sie die Elite des Landes gewesen. Ihre Geschichte im Irak reicht 2600 Jahre bis in die babylonische Zeit zurück; sie hatten jedes Recht, dort zu leben.

1948 haben viele arabische Länder entschieden, die Juden aus der arabischen Welt zu vertreiben. Im Irak wurde ihr Eigentum beschlagnahmt. Sie durften keine Bankkonten und keinen Telefonanschluss mehr haben. Sie waren ohne Schutz Mord und Vergewaltigung ausgesetzt. Die meisten arabischen Juden haben ihre Länder verlassen. Die Araber haben sich damit keinen Gefallen getan. Ich würde mir wünschen, dass den Juden ihr Eigentum zurückgegeben wird, oder zumindest eine Entschädigung dafür.“ Das ist seither Samis Botschaft – an die arabische Welt, aber auch an den Westen: „Es hängt auch mit der unausgewogenen Berichterstattung im Westen zusammen, dass viele Muslime hierzulande Israel nicht anerkennen können.

Der Antisemitismus erfreut sich bester Gesundheit. Er ist überall. Die Medien berichten voreingenommen. Wenn es um den Nahostkonflikt geht, um die Religionen, die Völker und den Antisemitismus, dann dominieren häufig die Linken in den Medien. Sie meinen, wenn sie sich auf die Seite der Araber und gegen Israel stellen, würden sie den amerikanischen Imperialismus bekämpfen. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, aber das ist einfach nur dumm. Damit stellen sie sich auf die Seite von Diktatoren, die die Menschenrechte verletzen und Frauen und Kinder missbrauchen.

Dabei steht selbst im Koran, dass Israel das Verheißene Land der Juden ist. 3 Muslime sollten das glauben. Israel ist ein demokratisches Land, in dem viele Muslime leben und volle Rechte genießen. Daran sollten sich arabische Länder ein Beispiel nehmen, denn dahinter sind wir weit zurück. Unsere Herrscher betrachten uns als ihr Eigentum. All das Gerede über Parlamente in der arabischen Welt ist eine Täuschung. Muslime und Araber haben dort keine Menschenrechte.“ Sami engagiert sich bei Middle East Education in London. Seine Reisen nach Israel haben ihn immer darin bestärkt, dass es sich lohnt, für dieses Land aufzustehen. Er träumt davon, irgendwann ein Buch zu schreiben.

Sami und Kasim haben eine Art „Bekehrung“ erlebt, die ihr Leben und ihre Sicht auf die Welt grundlegend verändert hat. Viele Christen erleben diese „Israel-Offenbarung“ erst lange nach ihrer Hinwendung zu Jesus – manche nie. Eine Reise nach Israel kann auch für sie ein Schlüsselerlebnis sein. Es ist ein Land, das die Treue Gottes widerspiegelt.

Der 2007 verstorbene pakistanisch- amerikanische Journalist Tashbih Sayyed hat einmal gesagt: „Ich bin überzeugt, dass Gott wirklich diese Erde gegründet hat, aber es ist ebenso eine Tatsache, dass Israel diese Erde vor dem Sterben bewahren kann. Mein erster Besuch in Israel hat mich nicht nur in dem Glauben bestärkt, dass Israel unverzichtbar für die Stabilität in der Region ist, sondern brachte mich auch zu dem Schluss, dass Israel die Muslime eines Tages von der Notwendigkeit überzeugen wird, ihre Theologie und ihre Soziologie zu reformieren.

Die Israelis haben tatsächlich völlig zweifellos den Beweis dafür erbracht, warum Gott ihnen dieses Land versprochen hat – nur sie konnten es zum Blühen bringen.4“

1 Aus einem Interview mit Shalom TV, http://www.youtube.com/watch?v=k6MMyFdWqoI und aus persönlichen Gesprächen.

2 Persönliches Gespräch, vollständiges Interview erschienen im factum Magazin, April 2013, http://www.factum-magazin.ch/wFactum_de/aktuell/2013_04_05_Interview_Husain.php

3 Scheich Abdul Hadi Palazzi beispielsweise behauptet, der Koran fordere die jüdische Souveränität über das gesamte Land einschließlich der Westbank. Damit fordert er mehr, als ein großer Teil der Israelis beanspruchen würde. Koranstellen, mit denen er das begründet, sind zum Beispiel Sure 17:104, 26:59 und 5:20-107.

4 2005, http://www.israelnationalnews.com/Articles/Article.aspx/5830#.UhXbQj_9UfE

Medienarbeit / Presse