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| Ulrich W. Sahm, Jerusalem

Moral ohne Realitätsbezug

Amnesty International und die UNO Organisation OCHA (United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs) haben sich dieser Tage ein abstruses „Gefecht“ geliefert. Amnesty bezichtigte die palästinensische Hamas, während des Gaza Krieges im vergangenen Sommer mit Raketenbeschuss ungeheuerliche Kriegsverbrechen begangen zu haben.

Warum sie das jetzt erst merkt, sagt sie nicht. Umgekehrt spricht OCHA vom „blutigsten Jahr“ für Palästinenser seit 1967. Freilich erwähnte sie nicht, dass die Hamas im Sommer 14 Mal den verkündeten Waffenstillstand gebrochen und damit den Krieg unnötig in die Länge gezogen hat.

Moral wird heute in der Politik gross geschrieben. Organisationen wie Greenpeace, Amnesty International oder Human Rights Watch sind zu „Supermächten“ aufgestiegen. Ihre Reports werden im Westen wie Glaubensbekenntnisse gelesen und dienen der Politik als Vorlage. Wegen ihrer Bedeutung erhalten diese Organisationen private und öffentliche Gelder in Millionenhöhe. Diese NGO´s repräsentieren das schlechte Gewissen des „weissen Mannes“, der sich als Sklavenhändler an den Eingeborenen Afrikas vergangen hat und heute mit Waffenlieferungen Schuld an allen bewaffneten Konflikten dieser Welt trägt.

Entmündigung der Muslime auf Kosten Israels

Hinter dem kritiklosen Mitleid „mit den armen Arabern“ steckt eine diskriminierende Verachtung des muslimischen Menschen, eine beispiellos zynische Entmündigung. Der Westen sieht die Palästinenser und andere „kämpfende“ muslimische Araber immer noch mit der herablassenden rassistischen Geringschätzung des ehemaligen Kolonialherrn. Kämpfenden Muslimen wird freie Entscheidungskraft, und eine bewusste Planung ihrer Taten abgesprochen. Sie gelten buchstäblich als „unzurechnungsfähig“ und „unzivilisiert“. In der entwürdigenden „Überheblichkeit des weissen Mannes“ werden muslimische Araber für Genozide, Massenmorde, Vertreibungen ungeheuerlichen Ausmasses, Sklavenhandel mit Frauen und Ermordung Homosexueller nicht zur Verantwortung gezogen. Niemand redet darüber, Hamas-Kommandeure, IS-Befehlshaber oder Houthi-Schergen als Kriegsverbrecher vor den internationalen Gerichtshof zu zerren. Es geht immer wieder nur darum, ob und wie israelische Politiker und Militärs persönlich haftbar gemacht werden könnten, während die palästinensische Autonomiebehörde ihre eigenen Massenmörder als Volkshelden verherrlicht und Schulen wie Plätze nach ihnen benennt, ohne jemals von den europäischen Geldgebern dafür kritisiert worden zu sein.

Frauenrechte

Gewiss kann man als Europäer z.B. die Kampagnen für Frauenrechte begrüssen und unterstützen. Besonders in der Welt des angeblich „falsch interpretierten Islam“ werden Frauen ausgepeitscht, gesteinigt, beschnitten und dürfen noch nicht einmal voll verhüllt Auto fahren. In europäischen Medien heisst es oft, dass weder IS oder andere Vorgänge in der Welt des Islam auch nur das Geringste mit dem Islam, der „Religion des Friedens“ zu tun hätte, selbst wenn vor Terroranschlägen laut „Allahu Akbar“ gerufen wird.

Bei uns hingegen steht alles bestens bei den Frauenrechten. Hier dürfen Frauen halbnackt als Sexobjekte posieren und mit anorektischem Hungerleib über die Laufstege schweben. Haben die Menschenrechtsorganisationen jemals diese Sitten im „aufgeklärten“ Westen als Verstoss gegen Frauenrechte angeprangert?

Menschenrechte

Einer eigenen Agenda folgen auch die Reports über Menschenrechtsverletzungen. Der im Jemen ausgebrochene Krieg wurde erst bemerkt, als 17 Zivilisten, darunter 6 Kinder, durch saudische Bombardements ums Leben kamen. Der Tod dieser Zivilisten wird besonders lautstark verurteilt, weil die Saudis mit den USA verbündet sind, amerikanische Waffen einsetzen und gemäss Iran von den „Zionisten“ zum Krieg angetrieben werden. Woher die Waffen der Houthis, des IS und anderer Freischärler stammen, wird verschwiegen. Die Saudis haben den Krieg im Jemen weder ausgelöst noch gewollt. Seit Jahren herrscht dort Blutvergiessen. Von Iran unterstützte Houthis haben fast das ganze Land eingenommen. Niemanden störte es, als ein islamistischer Selbstmordattentäter in einer Moschee über 140 Menschen tötete, darunter Kinder, wie man auf Youtube sehen kann. Zudem werden in der Region Kinder als Kämpfer und sogar Selbstmordattentäter missbraucht, was im aufgeklärten Westen auch niemand zu bemerken scheint.

Wer ist Opfer?

Tote Kinder bis zum Alter von 18 werden stets hervorgehoben, als wäre der Tod erwachsener Männer oder Frauen weniger schlimm. Bemerkenswert ist bei den Toten in Gaza die Hervorhebung in Berichten von Nachrichtenagenturen „überwiegend Frauen und Kinder“. Wahrscheinlich stimmt das nicht, denn genaue Überprüfungen der Totenlisten des Hamas Gesundheitsministeriums durch das israelische Amit-Institut ergaben, dass mindestens 1.000 der im Krieg getöteten Menschen aktive Kämpfer der Hamas waren. Bis heute gibt es noch keine verifizierten Zahlen, denen Hamas, die UNO, Israel und Menschenrechtsorganisationen zustimmen würden. Zudem hat wohl niemand diePropagandaseiten der Hamas gesehen, wo Frauen als Kämpfer vorgestellt werden. Denn Frauenkämpfer könnte man nicht mehr unter der Kategorie weibliche Zivilisten abbuchen. Gleiches gilt für Jugendliche und Kinder. Eine neue Filmdokumentation der Hamas zeigt, wie derzeit 17.000 Kinder zu Kämpfern militärisch ausgebildet werden.

Solange sich Araber oder Moslems untereinander umbringen, mit amerikanischen oder russischen Waffen, interessiert das fast niemanden. Erst seit die letzten noch existierenden und funktionierenden Staaten der arabischen Welt eingreifen, hagelt es Proteste. Wenn IS, Rebellen, Houthis, Hamas und andere beliebig morden, ist es „leider nicht möglich“ genaue Zahlen zu liefern. Doch wenn Staaten wie Saudi Arabien bombardieren, dann sind die Berichte plötzlich bis zum letzten Toten sehr exakt.

Wie bei den Frauenrechten fällt auf, dass die Menschenrechtsorganisation die betroffenen Menschen und Nationen entmündigen. Entscheidungskraft, strategische Planung und „Kriegsziele“ werden nur Staaten wie Israel und Saudi Arabien oder Ägypten zugestanden, während den unterschiedlichen Rebellen oder Freischärler Organisationen keine geregelte Strategie zugestanden wird.

Wer ist Täter?

Gleichwohl betreiben die Palästinenser genauso wie die Israelis eine ausgeklügelte aktive Politik. Sie verfolgen strategische Ziele und sind keineswegs nur willenlos getriebene Opfer. Mehr als 2.000 Tote im Gazastreifen waren die Folge einer bewussten Kriegspolitik. Die Hamas hatte im Sommer 2014 den Krieg erst angezettelt und dann bewusst mehrmals den Waffenstillstand gebrochen. Das hat immer mehr Tote, vor allem auf der eigenen Seite, gefordert. Auch die Methode, Zivilisten als Schutzschilde zu missbrauchen, Waffen in Schulen, Moscheen oder Kliniken einzulagern, war eine bewusste Entscheidung der Hamas-Verantwortlichen und kein Zufall. Weil „peinlich“ wird das von der Uno und ihren Unterorganisationen kaum thematisiert, weil sie dann eingestehen müssten, dass gewisse Schulen oder Moscheen militärisch legitime Ziele der Israelis wären und dass die Hamas letztlich Schuld trägt für dadurch entstandene Tote.

Der Realitätsverlust des Westens

Die UNO wurde in einer Zeit geschaffen, als alle Welt noch aus Nationalstaaten bestand. Heute sitzen dort Staaten, die sich längst in Luft aufgelöst haben, darunter Libyen, Syrien, Irak und Jemen. Sie entsenden zwar noch Diplomaten, doch wen oder was repräsentieren die eigentlich? Und jetzt wollen sie sogar noch einen noch nicht-existenten Staat anerkennen: Palästina. Hier geht es um einen Verstoss gegen Abkommen, unterzeichnete Verträge und international anerkannte Regeln. Schlimm ist dabei die moralische Überheblichkeit des Westens, Wunschträume in Wirklichkeiten umzubiegen.

Eine Zeitlang hiess es, dass sogenannte „nationale Interessen“ den Weg der Politik vorschreiben. Spätestens seit Jugoslawien, Irak, Syrien oder Libyen lassen sich aber nicht einmal mehr die Interessen der Akteure und ihrer europäischen oder amerikanischen Hintermänner entdecken. Mit dem zunehmenden Chaos und der Anarchie in „Ländern“ der arabischen Welt findet man auch nicht mehr die Partner für das Zaubermittel „Dialog“, mit dem die USA und die Europäer alle Probleme „lösen“ wollen.

Typisch für den „Westen“ sind dann auch Spekulationen, wie sie die NZZ jüngst verbreitet hat. Martin Zapfe vom Center for Security Studies und Leiter des Teams «Globale Sicherheit» stellt dar, wie ein Erfolg des IS auch positive Folgen haben und am Ende zu „Frieden“ führen könnte. Mit einem „Kompromiss zwischen den Interessen Irans, Saudi Arabiens und der Türkei wäre ein Frieden denkbar.“

„Frieden“ unter Einbindung der Nazis

Frieden ist ein jedoch sehr relativer Begriff. In Europa zum Beispiel herrscht „Frieden“, obgleich seit dem 2. Weltkrieg kein Friedensvertrag unterzeichnet worden ist. In Nahost herrscht Krieg, trotz zahlloser „Friedensabkommen“.

Im Mittleren Osten jetzt mit IS, Houthis oder anderen „Frieden“ schliessen zu wollen, ist vergleichbar, als hätte man 1941 – 44 über einen „Frieden“ unter Einbindung der Nazis spekuliert. Heute wissen wir, dass erst die totale Kapitulation Deutschlands eine neue Weltordnung ermöglichte. Aber diese historische Lektion scheint in der Politik noch nicht angekommen zu sein.

Hamas Terroristin Schalida Ayat el Akhrasch hat sich am 29. März 2002 vor dem Supermarkt in Kirjat Jovel in Jerusalem als Selbstmordattentäterin in die Luft gesprengt. Dabei wurden 2 Menschen ermordet und 28 verletzt. Vor dem Eingang einer UNO-Mädchenschule wird sie als Wandmalerei an einer Fussgängerbrücke verherrlicht. Foto U.Sahm
Hamas Terroristin Schalida Ayat el Akhrasch hat sich am 29. März 2002 vor dem Supermarkt in Kirjat Jovel in Jerusalem als Selbstmordattentäterin in die Luft gesprengt. Dabei wurden 2 Menschen ermordet und 28 verletzt. Vor dem Eingang einer UNO-Mädchenschule wird sie als Wandmalerei an einer Fussgängerbrücke verherrlicht. Foto U.Sahm
Medienarbeit / Presse