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| von Philipp Lenhard auf der Homepage der "Jüdischen Allgemeinen" vom 16.04.2019

Die FAZ, Bibi und die Identitären

Die Wahrnehmung Israels in den deutschen Medien zeigt, wie sehr die Sprache vom NS-Ungeist geprägt ist.

Jüngst haben der »Focus« und die »Frankfurter Rundschau« für das Ergebnis der israelischen Parlamentswahlen den Titel »Der ewige Netanjahu« gewählt. Die Kritik kam schnell, und zumindest die Chefredaktion der FR hat sich für ihre »Geschichtsvergessenheit« entschuldigt.

Doch der Befund der jüngeren Antisemitismusforschung, dass allzu viele Denkmuster, Bilder und eben auch Propagandatexte aus der Nazi‐Ära tief im kollektiven Gedächtnis verankert sind und immer wieder auftauchen, hat sich einmal mehr gezeigt.

    Die Formulierung der FAZ legt Assoziationen an die von Neonazis ins Leben gerufene Identitäre Bewegung nahe.

REISSERISCH Nicht nur bei FR und »Focus«. Am 11. April lieferte mit der »Frankfurter Allgemeinen« eine der wichtigsten deutschen Tageszeitungen dafür einen weiteren Beweis. Unter dem reißerischen Titel »Netanjahus Überlebenskampf« fand sich auf der Titelseite ein Kommentar zur Wahl, in dem es hieß, »die identitäre Gegenbewegung zu einer liberalen Weltordnung« habe nun auch Israel erreicht.

Nun mag man von Netanjahu und seinen voraussichtlichen Koalitionspartnern halten, was man will, aber die Formulierung des FAZ‐Israel‐Korrespondenten Jochen Stahnke legt Assoziationen an die von Neonazis ins Leben gerufene Identitäre Bewegung nahe. So ist es wohl auch zu erklären, dass auch noch das Horst‐Wessel‐Lied paraphrasiert wird: »Die Reihen im tief gespaltenen Israel haben sich wieder einmal geschlossen, das rechte Lager hat eine klare Mehrheit.«

    Auch das Horst‐Wessel‐Lied wird in dem Zeitungsartikel paraphrasiert.

»Identitäre Gegenbewegung«, »die Reihen fest geschlossen«, »der ewige Netanjahu«: All das zeigt, wie sehr die deutsche Sprache und die deutschen Medien noch heute vom nationalsozialistischen Ungeist geprägt sind, besonders wenn es um die Wahrnehmung Israels geht.

Der Autor Philipp Lenhard ist Historiker an der Abteilung für Jüdische Geschichte und Kultur an der Ludwig‐Maximilians‐Universität München. Foto: Thomas Hauzenberger
Medienarbeit / Presse