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| Pfr. Matthias Franke, Dennheritz

Bericht über die 16. Reise nach Äthiopien

Nach nunmehr 16 Reisen nach Äthiopien gehöre ich sicher zu den Deutschen, die dieses Land überdurchschnittlich gut kennen. Dies meine ich nicht nur touristisch, sondern durch viele Begegnungen mit den Einheimischen. Von den reichlich drei Wochen verbrachte ich diesmal die meiste Zeit im Westen und im tiefen Süden des Landes. Oft bin ich auf mündliche Informationen angewiesen. Leider decken diese sich nicht immer.

Ich kann natürlich nicht nachprüfen, ob diese Informationen immer exakt sind. Ich versuche, nach bestem Wissen und Gewissen weiterzugeben, was man mir berichtet hat.

Drei Tage nach meiner Ankunft ging es mit dem Flugzeug für vier Tage nach Asosa. Dies ist der westlichste Flugplatz in Äthiopien und nur ca. 40 Kilometer von der sudanesischen Grenze entfernt. Grund unserer Reise war eine Versöhnungskonferenz in der Hauptstadt der Region Benishangul-Gumuz. Dort hatte es im Mai 2008 heftige Kämpfe zwischen den Bevölkerungsgruppen der Oromo und der Gumuz mit mehreren hundert Toten gegeben. Das Treffen sollte ursprünglich im Stadion der Stadt mit ca. 10.000 Teilnehmern sein.

Es kamen aber wesentlich weniger. So fand das Treffen in einer der Kirchen Asosas statt und ca. 1.000 Leute waren gekommen. Leider waren vom Stamm der Gumuz nur wenige dabei. Die Mekane Yesus Kirche setzt sich für die Versöhnung ein und mein Freund Henok war der Hauptredner der Versammlungen. Er setzt sich seit Jahren wie kein anderer für Versöhnung und Aufarbeitung der Vergangenheit ein. Wie bei allen vorhergehenden Konferenzen, an denen ich teil nahm, bat ich als Deutscher und Weißer um Vergebung für das, was in der Vergangenheit an Schuld geschehen ist.

In fast allen Landesteilen war die Zeit des Kommunismus mit großen Opfern für die Bevölkerung verbunden und leider hat die STASI bei der Unterdrückung der Nichtkommunisten und Verfolgung der Christen sehr intensiv geholfen. Wenn ich als Weißer am Anfang der Konferenz um Vergebung bitte, öffnet dies immer die Türen für die Vergebung der Äthiopier untereinander. So waren die Zeiten der Buße auch diesmal für uns alle sehr bewegend.

Am Sonntag flogen wir zurück nach Addis Abeba und bereits am nächsten Morgen ging es mit einem Kleinbus in Richtung Süden. Die folgenden elf Tage waren wie so oft sehr intensiv und es ist fast nicht möglich, alle Eindrücke zu verarbeiten. Die Ziele für die Südroute waren Besuche in drei Gefängnissen, Besuche der Speed Schools und der neu gebauten Brunnen und in Turmi war ich eingeladen, 25 Evangelisten aus fünf verschiedenen Stämmen im Omo-Gebiet zu lehren und zu unterweisen.

Bei meinen Besuchen in den Gefängnissen durfte ich predigen und ich hatte die Gelegenheit, mit den Insassen zu sprechen. Was mich in den äthiopischen Gefängnissen immer sehr beeindruckt, ist die Tatsache, dass die Gefangenen nicht in Zellen eingesperrt sind, sondern sie leben wie in einem kleinen Dorf miteinander. Die Gefangenen bekommen eine Berufsausbildung. Dadurch können sie ihre Angehörigen zuhause unterstützen und nach ihrer Entlassung haben sie wesentlich bessere Chancen, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ohne wieder kriminell zu werden.

Die Leiter der Gefängnisse sind sehr daran interessiert, denen, für die sie nun für Jahre verantwortlich sind, eine bessere Lebensperspektive zu bieten. Freilich sind viele für lange Zeit inhaftiert. Die meisten sind wegen Tötungsdelikten im Gefängnis. Die Leiter werden von den Gefangenen geachtet und jeder Leiter stimmte zu, als ich sie fragte, ob ich für sie und die Gefangenen beten dürfe. Einer meiner Begleiter war früher selbst drei Jahre in einem dieser Gefängnisse. Dadurch, dass er Jesus kennen gelernt hat, geht er nun regelmäßig in die Gefängnisse, um den Gefangenen zu erzählen, wie Gott jedes Leben verändern kann, wenn dies jemand will. Ein Kommandeur sagte: „Wir sind sehr froh über solche Besucher, an denen die Gefangenen sehen, wie Gott ihr Leben verändern kann.“

Berührt war ich auch davon, mit welcher Inbrunst die Gefangenen beten, wie sie sich danach ausstrecken, von Gott berührt zu werden. Beim Gebet um innere Heilung sprangen fast alle auf. In der protestantischen Kapelle waren ca. einhundert Männer versammelt. Wenn man davon ausgeht, dass etwa die Hälfte von ihnen jemanden getötet hat und wenn man sie dann mit tiefster Hingabe im Gebet und in der Anbetung Gottes sieht, dann erfüllt einen eine große Freude über die Kraft des Evangeliums.

Besonders bewegend für mich sind immer die Besuche in der Abteilung für Frauen. Zwischen 50 und 80 Frauen waren jeweils in einem Gefängnis und zu den Frauen gehören 20 bis 35 Kinder. In Jinka hatte ich im Herbst Geld für eine Speed School für Erwachsene dagelassen und eine für die Kinder, die im Gefängnis mit ihren Müttern leben. Nun konnte ich sehen, wie außerhalb des Gefängnisses ein Gebäude entsteht, in dem ein Kindergarten und eine Schule arbeiten soll. Um den Kindern das Gefühl zu geben, dass sie nicht nur eingesperrt sind, entsteht jetzt neben dem Gefängnis ein kleines Zuhause für die Kinder. Besonders baten die Frauen um Hygieneartikel für die Zeit ihrer Menstruation.

In Turmi machten wir drei Tage Station, um mit 25 Evangelisten über ihre Arbeit zu sprechen. Die meisten von ihnen haben Jesus als ihren großen Helfer erlebt, aber sie haben kaum eine Ausbildung. Meine Vorbereitungen konnte ich nicht verwenden, da man mir unterwegs meinen Rucksack gestohlen hatte. Ausgehend davon, dass ein Evangelist jemand ist, der die Welt und die Menschen und deren Nöte mit den Augen Jesu sieht und ihnen Gottes Antworten bringt, versuchte ich auf ihre Situation einzugehen und ihnen Gottes Antworten aufzuzeigen.

Ein wichtiger Bestandteil der Situationsanalyse war die Rolle der Frau, gerade unter den verschiedenen Stämmen, unter denen die Evangelisten im Omotal arbeiten. Sie haben unter sehr schweren Bedingungen den größten Teil der täglichen Lasten zu tragen und unter unnützen und sinnlosen Traditionen zu leiden.

Selbst unter den evangelischen Mitarbeitern war ein abwertendes Frauenbild vorhanden. Als ich darüber sprach, wie Jesus die Frauen sieht und wie er deren Rolle aufgewertet hat, war zu erkennen, wie die Lasten zusehends von ihren Schultern fielen. Eine Frau sagte stellvertretend für die Evangelistinnen: „Und wir haben gedacht, wir müssten die Folge von Evas Sünde tragen und wären nur geschaffen, um die Männer zu unterstützen.“

So war es nur logisch, dass sie andere Frauen mitbrachten. Nach jeder Pause kamen andere Frauen aus der Stadt mit, so dass wir am Ende doppelt so viele Teilnehmer wie am Anfang waren. Das Thema „Versöhnung“ war ursprünglich nicht mein Thema, aber es spielte dann doch gerade unter den Mitarbeitern eine sehr große Rolle. So baten die Männer die Frauen um Vergebung, dass sie ihnen die Wertschätzung bisher versagt hatten.

Ein Evangelist sagte: „Wenn ich nach Hause komme, werde ich meiner Frau die Füße waschen!“ Was dies bedeutet, kann man nur dann wirklich verstehen, wenn man das traditionelle Rollenverständnis in Äthiopien kennt. Ein anderer wichtiger Punkt des „Sehens wie Jesus sieht“ war die Sicht auf die anderen Stämme. Es waren Angehörige von fünf Stämmen aus dem Omotal anwesend und zwischen manchen ist die Geschichte nur eine Geschichte des gegenseitigen Kampfes. Die Geschichte ist eines Geschichte des Leids. Einen Vormittag nahmen wir uns Zeit zur Versöhnung zwischen des Stämmen.

Besonders beeindruckend war die Versöhnung zwischen den Hamar und der Dassenech. Die anwesenden Hamar baten die anwesenden Dassenech auf den Knien um Vergebung, dann umgekehrt. Das Ergebnis war, dass sie danach einander lange umarmten und gemeinsam vor dem Herrn tanzten. Um Vergebung zu bitten und Vergebung zu gewähren, ist immer wieder eine der befreiendsten Erfahrungen.

Am Abend war unser Thema, wie eine Geschichte, die lange Zeit unter dem Fluch von Hexerei und gegenseitigem Kampf stand, in eine Geschichte des Segens verändert werden kann. Gerade die Stämme im Omotal haben oft eine Geschichte mit sehr negativen Traditionen ihrer Kulturen, die vor allem immer zu Lasten der Kinder und der Frauen gehen. Obwohl viele der schlimmen Traditionen wie Mingi und Genitalverstümmelung der Frauen seit Jahren von der Regierung verboten sind, werden sie dennoch immer noch praktiziert. So ging es bei unserm Thema darum, wie man diese schlimmen Traditionen stoppen kann und das Land in den Segen bringen kann.

Lesen Sie den ganzen Bericht in der Ausgabe 2+3 | 2013.

Fluss Braile
Fluss Braile: Quelle des Lebens und Ursache des Todes<br>(Alle Fotos: Matthias Franke)
Brunnen bei Benna
Brunnen bei Benna
alleinerziehnde Mutter
Addis Abeba: alleinerziehnde Mutter von drei Kindern
Addis Abeba Schabbatbeginn
Addis Abeba: Schabbatbeginn
Besuch bei Braile
Besuch bei Braile
Häuptling der Hamar
Ein Häuptling der Hamar und vier weitere Hamar geben ihr Leben Jesus.
Speed School bei Braile
Speed School bei Braile
Versöhnung bringt Freude!
Versöhnung bringt Freude!
Versöhnungsarbeit Internationale Diasporaarbeit