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| Thomas Mersinger, Eilenburg

Sächsische Israelfreunde beim Yom HaShoah in Israel

Sächsische Israelfreunde nahmen am Gedenken des Staates Israel zum Yom HaShoah 2016 in Jerusalem teil

Beim diesjährigen Maieinsatz der Handwerker der Sächsischen Israelfreunde stand eine besondere Veranstaltung im Fokus der Jerusalemer Gruppe, die uns schon vor der Reise sehr beschäftigte. Wir hatten eine Einladung zur Teilnahme an der offiiellen staatlichen Eröffungszeremonie des Yom HaShoa, des Märtyrer- und Heldengedenktages, und zur Kranzniederlegung in der Jerusalemer Holocaustgedenkstätte Yad Vashem.

Nicht nur die Hürden bis zum Erhalt der Zutrittsberechtigung sondern vor allem unsere Erwartung, wie wir empfangen werden und wie man uns begegnen wird, steigerten unsere Aufregung deutlich. Wegen der Teilnahme von Regierungsmitgliedern und internationalen Gästen unterlagen diese Veranstaltungen höchsten Sicherheitsstandards. Also wollte man auch von uns wissen, wer kommt. Doch von der Übermittlung der Teilnehmerdaten unserer Gruppe über die Bestellung unseres Kranzes und den Schleifentext darauf bis zu den Zutrittsmodalitäten hat Lothar Klein alles telefonisch und per E-Mail mit Shavit Aharoni- Simons von den Christian Friends of Yad Vashem vorher geklärt.

Die Zeremonie begann am 4. Mai um 20.00 Uhr mit Reden von Präsident Reuven Rivlin und Premierminister Benjamin Netanjahu. Danach wurden Erlebnisberichte von sechs Shoa-Überlebenden auf großen Leinwänden gezeigt, die uns sehr berührten und uns unsere Verantwortung deutlich vor Augen malten. Dies zu sehen und zu wissen, dass man zu dem Volk gehört, das dieses große Unrecht begangen hat, hat uns beschämt. Nach jedem der sechs Berichte hat der jeweilige Überlebende eine der großen Flammen entzündet, die jeweils für eine Million ermordeter Juden steht.

Sechs Millionen Menschen sind eine riesengroße Zahl, aber wenn man dann die Möglichkeit hat, mit einem Menschen zu sprechen, der die „Hölle der Höllen“ in Auschwitz erlebt und – Gott sei Dank – überlebt hat, dann kann man das Ausmaß dieses Verbrechens und der Not der Opfer nicht mehr erfassen. Eine alte Dame, in deren Wohnung wir Renovierungsarbeiten ausführen durften und die das KZ Auschwitz überlebt, aber dort ihre Eltern und sieben ihrer Geschwister verloren hat, fragte: „Warum wollen Sie das wissen, Sie können es doch nicht verstehen.“ Damit hatte sie Recht. Sie sagte weiter: „Ich kann es nicht vergessen. Kann man denn seine Eltern vergessen? Wir haben kein Grab, an dem wir trauern können.

Ich habe nur ein ganz kleines Bild von meinen Eltern, aber immer, wenn ich es ansehe, muss ich wieder daran denken.“ Wie hätten wir sie trösten können? So sagte ich ihr, dass auch wir an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs glauben und für sie beten. Darauf sagte sie uns: „Meine Söhne heißen auch Abraham, Isaak und Jakob.“ Und noch etwas sagte sie uns: „Ich mag das Wort ‚Wiedergutmachung‘ nicht. Es gibt keine Wiedergutmachung. Wie will man denn das, was geschehen ist, wieder gut machen?“ Und später fügte sie hinzu: „Nichtwahr, so etwas darf nie wieder passieren!“ Am nächsten Tag fand 10.00 Uhr die Kranzniederlegung statt. Die Sächsischen Israelfreunde hatten das Vorrecht, auch einen Kranz für die Opfer der Shoa niederlegen zu dürfen. Ausgewählt wurden dafür unsere mit 16 Jahren jüngste Teilnehmerin, Hanna Mielke, und unser mit fast 72 Jahren ältester Teilnehmer, Siegfried Wiegand.

Auch hier wieder Aufregung pur. Aber ebenso wie am Vortag war alles bestens organisiert von Shavit Aharoni-Simons: Die Plätze waren reserviert, wir wurden sehr freundlich und zuvorkommend begrüßt und der Kranz mit der Aufschrift „Sächsische Israelfreunde“ war da. Nachdem Staatspräsident Reuven Rivlin, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und weitere Regierungsmitglieder Israels sowie zahlreiche Vertreter von Staaten und Organisationen des In- und Auslands ihre Kränze niedergelegt hatten, durften auch die Sächsischen Israelfreunde ihren Kranz niederlegen und damit ihre Trauer über die Opfer der Shoa und ihre Ehrerbietung ihnen gegenüber zum Ausdruck bringen.

Nach der offziellen Veranstaltung hatten wir noch die Gelegenheit, an einer Führung durch Yad Vashem teilzunehmen, die von einer jungen Frau geleitet wurde, die die Enkelin einer Shoa-Überlebenden aus Rumänien ist. Gerade sie konnte uns die Ausstellung mehrerer Torah-Schreine aus Rumänien und weiterer wertvoller Gegenstände des religiösen Gebrauchs sehr anschaulich beschreiben. Dabei bezog sie sich immer wieder auf den Glauben ihrer Großmutter. Leider lässt sich nicht alles berichten, was wir erlebt haben, nicht nur wegen des begrenzten Platzes, sondern auch, weil manches in unseren Herzen hängengeblieben ist, was man nicht so leicht in Worte fassen kann. Wir arbeiten aber daran, andere an dem Erlebten teilhaben zu lassen.

Auch die Fotos vermitteln einen Eindruck davon, was wir erlebt haben. Nach diesem herausfordernden Ereignis ist uns ein großer Stein vom Herzen gefallen. Es ergaben sich auch mehrere interessante Gespräche mit anderen Teilnehmern, die uns zeigten, dass in vielen Ländern der Welt Christen für das Volk Israel einstehen. Und immer wieder staune ich darüber, wie barmherzig der große Gott mit dem deutschen Volk nach all diesen Verbrechen umgegangen ist. Wir haben nicht nur die Chance sondern auch das Vorrecht, Israel zu segnen durch Gebet, durch Parteiergreifen, durch Hingehen, durch Spenden, durch Trösten.

v. l. Thomas Mersinger, Hanna Mielke, Joachim Posselt, Marlis Gutberlet, Siegfried Wiegand und Helga
v. l. Thomas Mersinger, Hanna Mielke, Joachim Posselt, Marlis Gutberlet, Siegfried Wiegand und Helga
Versöhnungsarbeit