Aktuelles

| Lothar Klein, Dresden

Ein kurzer Rückblick auf die Geschichte der deutsch-israelischen Militärkooperation

Anlässlich des 50. Jahrestages der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel fand im Oktober 2015 in der israelischen Negevwüste eine gemeinsame Militärübung statt. Einleitend zum Bericht darüber wage ich einen kleinen, sicher nur bruchstückhaften Rückblick auf die Militärkooperation beider Staaten, die auf dem Hintergrund der Geschichte als Wunder betrachtet werden kann, jedoch ohne diesen Hintergrund so nie zustande gekommen wäre.

Die deutsch-israelische Militärkooperation begann bereits zwölf Jahre nach dem Holocaust, damals noch streng geheim, weil eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit dem Land der Nazi-Mörder für viele Holocaust-Überlebende so wenige Jahre nach der NS-Barbarei völlig undenkbar war. Wer in der Politik des jüdischen Staates eine solche Option angesichts der militärischen Bedrohung durch die arabischen Nachbarn auch nur vorsichtig ansprach, erntete in der israelischen Gesellschaft wütenden Protest. Dennoch trafen sich im Spätsommer 1957 Shimon Peres, damals 34 Jahre alt und Generaldirektor im Verteidigungsministerium, und CSU-Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß (42) in dessen Privatwohnung an seinem Dienstsitz in Bonn und zu einem weiteren Gespräch am 27. Dezember 1957, in dessen Privathaus in Rott am Inn.

Damals ahnten beide sicher nicht, dass der eine einmal Friedensnobelpreisträger und Staatspräsident seines Landes und der andere Ministerpräsident Bayerns und heimlicher Außenminister sein würde. Die Herren aßen zusammen und verhandelten über Waffenlieferungen Deutschlands an Israel. Strauß bekannte sich aufgrund des Holocausts zur Verantwortung Deutschlands für das Überleben des von feindlichen Nachbarn in seiner Existenz bedrohten jüdischen Staates. Er sicherte Peres die Lieferung von Waffen und Technologien samt Finanzierung zu, mit denen Israel in der Lage wäre, zum Schutz seiner Existenz seine eigene Verteidigungsindustrie aufzubauen – mit großem Erfolg.

Der Nahostkonflikt wurde in dieser Zeit immer mehr vom Kalten Krieg zwischen dem kommunistischen Machtblock unter Führung der Sowjetunion und dem freien Westen mit den USA als führende Kraft überlagert. Als Ägyptens Präsident Gamal Abdel Nasser am 26. Juli 1956 die vertragswidrige Verstaatlichung des Suezkanals proklamierte, löste das einen gemeinsamen Angriff Frankreichs, Großbritanniens und Israels gegen Ägypten aus. Fortan wurde Israel, das in diesem als Suezkrise in die Geschichte eingegangenen Konflikt für den Westen die Kastanien aus dem Feuer geholt und den freien Handelsverkehr auf dem Seeweg verteidigt hatte, seitens des Ostblocks als „Speerspitze des westlichen Imperialismus“ deklariert.

Besonders tat sich dabei die Propagandamaschinerie der DDR unter Walter Ulbricht hervor. Die angeblich „antifaschistische“ DDR hatte sich sowieso aus der gesamtdeutschen Verantwortung für den Holocaust gestohlen und lehnte jede Form der „Wiedergutmachung“ gegenüber Juden und dem Staat Israel ab. Ulbricht setzte sich als Antwort auf die Hallstein-Doktrin, die besagte, dass die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur DDR durch Drittstaaten als unfreundlicher Akt gegenüber der Bundesrepublik betrachtet werden müsse, nun gerade für eine Annäherung der DDR an die arabischen Staaten ein. Sein Ziel war die internationale Anerkennung seines deutschen Teilstaates als eigenständiger Staat. Mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen der DDR und Ägypten kühlte sich das Verhältnis zur Bundesrepublik spürbar ab. Dies verfestigte sich noch, als der ägyptische Geheimdienst durch das Ministerium für Staatssicherheit der DDR Wind von der bundesdeutschen Militärhilfe für Israel bekam.

An jenem Abend des ersten Treffens zwischen Strauß und Peres, acht Jahre vor der Aufnahme diplomatischer Beziehungen beider Staaten, begann im Geheimen eine Verteidigungskooperation, die bis heute funktioniert. Es folgten weitere Treffen, die das Vertrauen vertieften, so am 23. Februar 1960 in Bonn, an dem neben Strauß und Peres auch der damalige Landwirtschaftsminister und Held des Sinai-Feldzugs Moshe Dayan teilnahm (Siehe Foto!), um einen lang gehegten Wunsch von Strauß zu erfüllen.

Ab Juni 1961wurde damit begonnen, Israel deutsches Know How auf dem Gebiet der Flugabwehr zur Verfügung zu stellen. Damit war vor allem gemeint, dass die Bundeswehr israelische Offiziere und Soldaten in der Flakschule Rendsburg ausbildete. Diese Ausbildungshilfe, die für das gelieferte Gerät auch auf dem Truppenübungsplatz Munster und in der Fallschirmspringerschule Schongau erfolgte, stellte neben den Waffenlieferungen selbst eine besondere Form des Beistands für den jüdischen Staat dar. Israel bekam Panzer, Schnellboote, andere Waffensysteme und Munition.

Bei der Marine zum Beispiel sind israelische Soldaten Dauergast, in diesem Jahr wurden U-Boot-Crews der IDF am Simulator in Kiel-Eckernförde trainiert. Schon die ersten Rüstungslieferungen nach dem Treffen zwischen Peres und Strauß bestanden aus zwei U-Booten, die damals noch in Großbritannien gebaut und von Deutschland bezahlt wurden. Das größte derzeitige Rüstungsprojekt ist der Bau von sechs modernen U-Booten der Dolphin-Klasse, die der Abschreckung vor einem möglichen atomaren Erstschlag aus dem Iran dient. Fünf wurden bereits geliefert, das letzte erst am 12. Januar diesen Jahres. (Siehe Artikel auf Seite 54: „Neues U-Boot ‚Rahav’ in Betrieb“) Das sechste soll bis 2017 folgen.

Dazu kommen noch vier Korvetten. Alle Schiffe werden in Teilen von Deutschland mitfinanziert. Das ist die praktische Umsetzung der Politik der Bundesregierung seit Jahrzehnten, wie sie nicht zuletzt in der Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel im März 2008 vor der Knesset bekräftigt wurde: „Jede Bundesregierung und jeder Bundeskanzler vor mir waren der besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels verpflichtet. Diese historische Verantwortung Deutschlands ist Teil der Staatsräson meines Landes. Das heißt, die Sicherheit Israels ist für mich als deutsche Bundeskanzlerin niemals verhandelbar.“ Jedoch stellt die militärische Kooperation keine Einbahnstraße dar. Die erste Etappe in der Rüstungszusammenarbeit war die Ausstattung der Bundeswehr mit israelischem Gerät. Mit Granatwerfermunition wurde begonnen, gefolgt von Uniformen und der berühmten Uzi-Maschinenpistole. Dazu hieß es in Gesprächen mit Shimon Peres in Tel Aviv: „Die Uzi in der Hand deutscher Soldaten ist sicher besser als alle Broschüren gegen den Antisemitismus.“

Auch die Bundesluftwaffe pflegt seit 2010 enge Verbindungen zur Israel Air Force. Damals entschloss sich die Bundesregierung, Aufklärungsdrohnen für den Afghanistaneinsatz lieber in Israel als in den USA zu leasen. Die Schulung deutscher Piloten findet seitdem in Israel statt. Die reibungslose Zusammenarbeit hat in diesem Jahr zu einem Austausch von Crews des Kampfjets Eurofighter, des Hubschraubers CH-53 und des Luftabwehrsystems Patriot geführt.

Auch ist wahrscheinlich, dass die nächste Generation von Bundeswehrdrohnen, die bewaffnungsfähig sein sollen, ebenfalls in Israel beschafft wird. Die israelischen Produkte der zu Federman Enterprices gehörenden Firma Elbit Systems in Rechovot, deren Chef Michael „Micky“ Federmann ist, sind für ihre Zuverlässigkeit bekannt. Bei dem Besuch einer Delegation des sächsischen Ministerpräsidenten in diesem Werk hat uns Micky Federmann einige Drohnen selbst gezeigt. (Micky Federmann ist seit 2014 Träger des Sächsischen Verdienstordens und Ehrenbürger von Freiberg wegen der Sicherung des Hightech-Standortes in der sächsischen Stadt, der für die Mikroelektronik im Freistaat von existenzieller Bedeutung ist. Federmann ist auch Chef der Dan-Hotelkette, zu dem das berühmte King David Hotel in Jerusalem gehört. Seine Familie stammt aus dem sächsischen Chemnitz und ist vor den Nazis nach Eretz Israel geflohen.)

Auch das Sanitätswesen der Bundeswehr hat die Möglichkeit entdeckt, von den langjährigen praktischen Erfahrungen der Israelis zu profitieren, z.B. bei der Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS). Im Dezember 2015 waren Spezialisten der Israelischen Verteidigungsstreitkräfte (IDF) in Deutschland, um ihr psychologisches Präventionsprogramm vorzustellen. Es gibt auch eine über zehnjährige Kooperation zwischen der Israelischen Militärakademie in Mitzpe Ramon und der Offizierschule des Heeres in der Dresdner Albertstadt, – initiiert vom Autoren dieses Artikels im Jahr 2004 bei einem Besuch in der Akademie in der Negevwüste – die von regelmäßigen gegenseitigen Besuchen geprägt ist, z.B. in Dresden im Rahmen der zweimal jährlich stattfindenden Internationalen Woche, bei denen gelegentlich auch praktische Erfahrungen mit den jeweiligen Ausbildungsprogrammen ausgetauscht werden.

Eine neue Qualität der Kooperation stellte nun eine gemeinsame Militärübung von Spezialeinheiten beider Armeen im Negev dar. Wie die „Welt“ bereits am 30. August berichtete, sei es das Ziel, das Vorrücken gegen Terroristen, die sich in Wohnhäusern hinter Zivilisten verschanzen, um Geiselbefreiung oder den Tunnelkampf einzuüben. Seit 2005 übten die israelischen Soldaten diesen Kampf im urbanen Gelände von Tse‘elim.

Es sei kein Zufall, dass diese „Geisterstadt“ in der Nähe des Gazastreifens errichtet wurde, in dem den IDF genau diese Fertigkeiten abverlangt werden. Man habe seitens des Kommandos des Heeres hohes Interesse an diesen spezifischen Einsatzerfahrungen der israelischen Streitkräfte. Die IDF seien seit Jahren ein verlässlicher Partner der Bundeswehr. Deutsche Offiziere, die an Austauschprogrammen teilgenommen haben, sagten, man könne bei den IDF viel über vernetzte Operationen, Aufklärung oder militärischen Nahkampf lernen. Der Austausch von Erfahrungen bei Operationen unter klimatisch wüstenähnlichen Bedingungen stehe dabei im Vordergrund.

Besonders interessiert zeigte sich der Pressesprecher der IDF, Arye Sharutz Shalicar, an der gemeinsamen Militärübung, da er in Deutschland geboren wurde und in der Bundeswehr seinen Wehrdienst geleistet habe. Seit 2001 lebt er in Israel und verrichtet seinen Dienst in der IDF im Rang eines Majors. Seine Erfahrungen mit beiden Streitkräften drückt er laut „Welt“ so aus: „Der Bund war eher wie ein Picknick. Die IDF hingegen sind eine Armee, die rund um die Uhr, das ganze Jahr hindurch damit beschäftigt ist, das Überleben einer Nation zu sichern.“ 1

_________
1 Quellen:
· Thorsten Jungholt, „Bundeswehr soll in Israel den Häuserkampf lernen“ in „Die Welt“ vom 30.08.2015
· Botschafter a.D. Niels Hansen, „Geheimvorhaben ‚Frank/Kol’. Zur deutsch-israelischen Rüstungszusammenarbeit 1957 bis 1965“ in Historisch-politische Mitteilungen 6 (1999) der Konrad-Adenauer-Stiftung
· Stefan Meining, „Kommunistische Judenpolitik. Die DDR, die Juden und Israel“, LIT Verlag 2002
· Facebook-Seite von IDF-Sprecher Arye Sharutz Shalicar

Foto: picture-allianz

Weiterführender Link:

„Herausfordernde Ausbildung unter besonderen klimatischen Bedingungen in Israel“

von links: Shimon Peres, der frühere Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß und Landwirtschaftsminister Moshe Dayan im Jahr 1963.
von links: Shimon Peres, der frühere Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß und Landwirtschaftsminister Moshe Dayan im Jahr 1963.
Medienarbeit / Presse