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| Ulrich W. Sahm, Jerusalem

Der Friedensengel und der Hardliner

Wunsch und Wirklichkeit in Nahost

Katholiken glauben an übernatürliche Wesen. Dazu gehören Teufel, Engel und eierlegende Osterhasen. Papst Franziskus glaubt zudem an einen Friedensengel und einen Staat, der in der Realität nicht existiert.

Anlass für die Visite von Abbas im Vatikan war die Heiligsprechung von zwei Nonnen aus Jerusalem und Galiläa des 19. Jahrhunderts. Für die Palästinenser gewiss ein Grund zur Freude, obgleich sie keineswegs „Palästinenserinnen“ waren, wie der Vatikan behauptet. Denn im 19. Jahrhundert gab es noch das (türkische) Osmanische Reich. Und was unter den Briten ab 1917 als „Mandatsgebiet Palästina“ bezeichnet wurde, war die Provinz (Vilajet) Damaskus (Schams).

Franziskus überreichte Mahmud Abbas eine Medaille mit einem Friedensengel, um den „schlechten Geist des Krieges zu zerstören“. Dabei sagte Franziskus: „Ich musste an Dich denken, weil Du ein Friedensengel sein könntest.” Präsident Mahmoud Abbas befindet sich im neunten Jahr seiner vierjährigen Regierungszeit. 2006 gab es die letzten Wahlen. Die Legislaturperiode war vor fünf Jahren abgelaufen. Der „Friedensengel“ klebt seitdem an seinem Stuhl.

Vor sieben Jahren hat er das Parlament aufgelöst und regiert nur noch mit Dekreten und Geheimdiensten. Bloggern und Journalisten droht Folter und Gefängnis, wenn sie „Majestätsbeleidigung“ begehen. Abbas ist im eigenen Volk unbeliebt und kontrolliert nur noch einen dezimierten Herrschaftsbereich im Westjordanland.

Nach den Wahlen von 2006, als die islamistische Hamas-Partei einen klaren Wahlsieg davongetragen hat, verweigerte die Fatah- Partei ihren Hamas-Kontrahenten die Kontrolle über Polizei und Geheimdienste, also die Stützen der Macht. Daraufhin hat die Hamas 2007 im Gazastreifen geputscht und sich genommen, was ihr zustand. Es folgten Hinrichtungen und eine Aufrüstung mit Raketen, die zu zwei Kriegen gegen Israel und Tausenden palästinensischen Toten führten.

Durch die Anerkennung „Palästinas“ glaubt der Vatikan wohl, eine schützende Hand über die verfolgten oder gar massakrierten Christen in Syrien, Ägypten, im Irak und im Gazastreifen legen können. Dabei ist anzunehmen, dass der IS oder das syrische Regime von der Zeremonie im Vatikan nur geringfügig beeindruckt sind. Und sogar in Bethlehem geht die Flucht der Christen wegen Diskriminierung durch Moslems weiter. Gleichwohl wird von offiziellen christlichen Vertretern die „israelische Besatzung“ verantwortlich gemacht, obgleich Israel sich vor 20 Jahren aus Bethlehem zurückgezogen hat.

Abbas hat ein langes Sündenregister, angefangen mit seiner an der Lumumba-Universität in Moskau abgefassten Doktorarbeit. Darin hat er die Gaskammern von Auschwitz für technisch „unmöglich“ erklärt.

Im Holocaust seien bestenfalls „ein paar Tausend“ Juden umgekommen. Später behauptete Abbas gegenüber israelischen Journalisten, dass er sich „geirrt“ hätte. Schon als rechte Hand seines Vorgängers Jassir Arafat war Abbas in Terroranschläge verwickelt.

Seit seiner Machtübernahme nach Arafats Tod führt er einen scharfen anti-israelischen Kurs. Vielleicht deshalb erhielt er den Titel „moderat“ bei den Medien und „Friedensengel“ beim Papst.

Mit dem israelischen Premier Ehud Olmert hatte er noch Friedensverhandlungen geführt. Die endeten mit einer Ablehnung des israelischen Kompromissvorschlags. Aus der Erinnerung hatte Abbas auf einem Briefbogen der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) Olmerts Angebot skizziert. Olmert war bereit, fast alles abzugeben, mitsamt großzügigem Gebietsaustausch. Doch Abbas forderte wie zuvor Arafat „alles oder nichts“.

Als Benjamin Netanjahu Regierungschef geworden war, sollten die Verhandlungen weitergehen. Doch diesmal forderte Abbas als „Bedingung“ einen zehn Monate andauernden Baustopp in den „völkerrechtlich illegalen jüdischen Siedlungen jenseits der Grenze von 1967“. Hierzu ist anzumerken, dass das Völkerrecht, die Genfer Konvention, dem Besatzer eines fremden Staatsgebiets verbietet, seine Bevölkerung in besetztes Gebiet zu „deportieren“ oder zu „transferieren“.

Bisher hat sich noch kein „deportierter“ Siedler gemeldet. Präsident Barack Obama hatte 2009 in Kairo erstmals die Siedlungen für „illegal“ erklärt, woraufhin die Palästinenser behaupteten, nun nicht mehr verhandeln zu können. Bis dahin waren sie nur ein „Hindernis“. Da auch viele Araber, Moslems wie Christen, in den Siedlungen, besonders rund um Jerusalem, leben, fragt man sich, wie „jüdisch“ sie sind. Und die „Grenzen von 1967“ sind Waffenstillstandslinien, auf Rhodos abgesprochen, „ohne Vorgriff auf künftige diplomatische Verhandlungen“.

Gleichwohl hatte Netanjahu den Baustopp zehn Monate lang durchgesetzt, während Abbas immer noch Verhandlungen verweigerte. Abbas führt einen diplomatischen Krieg gegen Israel, bricht die Osloer Verträge, indem er Anerkennung in internationalen Gremien ersucht, Massenmörder verherrlicht und öffentliche Plätze wie Schulen nach den schlimmsten Terroristen benennt. Offiziell gilt Abbas für Israel nicht mehr als „Friedenspartner“ und schon gar nicht als „Friedensengel“.

Dennoch hat er bisher nicht die Sicherheitskooperation mit Israel aufgekündigt. Denn das israelische Militär verhindert einen Putsch der Hamas im Westjordanland und sichert das politische Überleben von Abbas. Israel hat sogar die Überweisung von Zöllen und Steuergeldern an Abbas erneuert, obgleich die Palästinenser immer noch nicht ihren Schuldenberg in Milliardenhöhe für Strom und Wasser bei Israel abgetragen haben. Und die Hamas im Gazastreifen rüstet kräftig auf für die nächste Runde gegen Israel mit Raketen aus dem Iran, Taucheranzügen für Kampftaucher und dem Neubau von Angriffstunnels. Sie gilt bei UNO, USA und der EU als Terrororganisation. Sie betreibt die Zerstörung Israels mitsamt einer Vernichtung aller Juden.

Der Versuch einer „Versöhnung“ von Abbas mit der Hamas und der Gründung einer „Einheitsregierung“ endete damit, dass das besuchende Ministerkabinett aus dem Westjordanland in ein Luxushotel am Strand von Gaza eingesperrt wurde, sich mit niemandem treffen konnte und wieder nach Hause reiste, sowie sie die Hotelrechnung in Höhe von 100.000 US-Dollar beglichen hatte. Im Sommer 2014 gab es einen grausamen Krieg mit Tausenden Raketen auf Israel und über 2.000 Toten im Gazastreifen.

Dennoch hat Israel der Hamas nur einen schweren, aber keinen tödlichen Schlag versetzt. Die Hamas herrscht weiter, trotz Hinrichtungen und Gewaltherrschaft. Aber sie vermeidet es (vorläufig), Israel mit Raketen anzugreifen. Und während Ägypten die Grenze zum Gazastreifen hermetisch abriegelt, die halbe Stadt Rafah und die Schmugglertunnels systematisch zerstört, rollen über den israelischen Kontrollpunkt Kerem Schalom täglich hunderte Lastwagen mit Hilfsgütern aus Jordanien, Qatar, dem Westjordanland und internationaler Hilfsorganisationen in den Gazastreifen.

Wer im Nahen Osten einen Hardliner Netanjahu und einen Friedensengel Abbas findet, der kann alle Probleme beruhigt dem Osterhasen überlassen.
türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan trifft palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan trifft palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas im türkischen Präsidentenpalast, Foto; Yıldız Yazıcıoğlu, public domain
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